Wer nach überzeugenden Argumenten für eine bestimmte politische Meinung sucht, hat mit KI ein mächtiges Werkzeug. Das zeigen Erfahrungen mit Chatbots.
Nun wird das auch wissenschaftlich untermauert: Wenn KI-Sprachmodelle ein paar persönliche Informationen des Gegenübers kennen, sind sie in politischen Debatten überzeugender als die meisten Menschen, so das Ergebnis einer Studie der ETH Lausanne in Zusammenarbeit mit der Princeton Universität in den USA und der Stiftung Bruno Kessler. Diese finanziert ein Forschungsinstitut im italienischen Trento, wo auch Riccardo Gallotti arbeitet.
Die Resultate der Studie seien beeindruckend, sagt Gallotti. «KI ist nicht schlau, aber sie weiss alles. So kann sie aus vielen Argumenten, je nach Gegenüber, die passenden auswählen.»
KI hat Nase vorn
In der Studie geht es um politische Diskussionen in geschriebener Form, wie beispielsweise in Chatforen oder in sozialen Medien. Die Forschenden haben Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer zu verschiedenen politischen Themen argumentieren lassen – zum Beispiel zu ihrer Haltung zur Abtreibung. Sie wussten aber nicht, ob da ein Mensch zurückschreibt oder die KI.
Am Ende mussten Teilnehmenden bewerten, wie überzeugend sie das Gegenüber fanden. Die KI hatte argumentativ die Nase deutlich vorn – aber nur dann, wenn sie ein paar Informationen über ihr Gegenüber hatte – zum Beispiel Geschlecht, Alter und politische Vorlieben.
Neue Dimension von Online-Werbung
Schon seit vielen Jahren nutze man persönliche Informationen dazu, um Menschen auf sie zugeschnittene politische Werbung anzuzeigen – zum Beispiel auf Facebook. Schon das sei effektiv, wie die Wissenschaft zeige.
Nun geht es Gallotti zufolge noch einen Schritt weiter: «Man kann sich ein Netz von Roboter-Accounts vorstellen, das im Internet Kommentare schreibt, um Leute mit personalisierten Botschaften von einer Meinung zu überzeugen.» Das wären effektive Propagandamaschinen.
Gallotti schliesst nicht aus, dass das heute schon passiert. Die nötige Technologie dafür sei da. Wichtig ist aus Galottis Sicht, den Plattformen mehr Transparenz zu verordnen. Dann könne die Gesellschaft überprüfen, was darauf tatsächlich passiere.
Zum einen muss die Politik schauen, ob sie Handlungsbedarf hat. Zum anderen müssen Plattformen reagieren und auf diese neuen Herausforderungen Antworten finden.
Ähnlich sieht das Tobias Keller, der sich bei GFS Bern mit Politik insbesondere im Zusammenspiel mit sozialen Medien beschäftigt.
«Zum einen muss die Politik schauen, ob sie Handlungsbedarf hat. Zum anderen müssen Plattformen reagieren und auf diese neuen Herausforderungen Antworten finden. Denn diese wollen einen Ort schaffen, wo Menschen sich miteinander austauschen können – ohne Bots.»
Die Schweiz habe aber gute Grundvoraussetzungen, um sich dagegen zu schützen, so Keller. So schaffe etwas das Mediensystem in der Schweiz eine starke Faktenbasis für politische Debatten. Und auch das Schweizer Mehrparteiensystem, das zu Kompromissen führe und mehr Platz für Zwischentöne biete, wirke sich positiv aus.
Trotz ihrer hohen Überzeugungskraft dürfte also Künstliche Intelligenz die Schweizer Demokratie noch nicht so bald massgeblich beeinflussen.