Andreas Ineichen war 23 Jahre alt, als er feststellte, dass mit ihm etwas nicht mehr stimmt. «Ich konnte nicht mehr schlafen, hatte Herzrasen, ich wusste nicht mehr, wie es weitergehen soll.» Heute ist Ineichen 39 Jahre alt. In den vergangenen 16 Jahren hat er viel erlebt, Höhen, aber auch Tiefen. «In meinen schlimmsten Krisen musste ich stationär behandelt werden.» Zeitweise fiel er für seine Arbeitgeber monatelang aus, phasenweise verlor er seine gesamte Lebenslust und verliess kaum noch die eigenen vier Wände.
Ineichen ist mit diesen Erfahrungen kein Einzelfall. Jeder fünfte Arbeitnehmer in der Schweiz hatte wegen Stress am Arbeitsplatz schon einmal ein Burnout oder andere psychische Probleme. «Eine grosse Schwierigkeit ist, dass man sich eine psychische Erkrankung selber oft viel zu spät eingesteht», sagt Ineichen. Auch bei ihm selber sei das so gewesen.
Ansprechperson mit gleichen Erfahrungen
Seine persönlichen Erfahrungen bringt Ineichen nun ein, um anderen Menschen zu helfen. Ineichen arbeitet in der Psychiatrie Baselland als «Genesungsbegleiter». Als solcher ist er für Menschen mit einer psychischen Erkrankung eine wichtige Bezugsperson. «Für die Patienten ist es schön, wenn sie mit jemandem reden können, der ihre Situation aus eigener Erfahrung nachvollziehen kann.»
Rachel Affolter, die pflegerische Leiterin der Psychiatrie Baselland, ergänzt: «Die Genesungshelfer bringen eine neue Perspektive in unser Team ein, sie sind eine wichtige Ergänzung zur herkömmlichen Therapie.» Die Genesungsbegleiter wüssten aus eigener Erfahrung, wie sich zum Beispiel Patienten fühlen, wenn sie mit der Zusammenstellung der Medikamente nicht einverstanden sind. «Vor allem aber sind sie für die Patienten auch Hoffnungsträger, weil sie gelernt haben, mit ihrer Krankheit umzugehen.»
Niklas Baer, der Leiter der Fachstelle Psychiatrische Rehabilitation, betont, dass die Genesungsbegleiter nicht nur für die Patienten Vorbilder seien. Auch den Arbeitgebern würden sie zeigen, dass es für psychische kranke Menschen einen Weg zurück in die Arbeitswelt gibt.
Medizinische Wunder seinen von den Genesungshelfern jedoch nicht zu erwarten, warnt Niklas Baer. «In unserer Arbeit geht es darum, einen Zustand zu verbessern und jemanden zu stabilisieren. Heilung ist kein Begriff der Psychiatrie.» Auch Andreas Ineichen würde sich nicht als «geheilt» bezeichnen. Gleichwohl steht er heute mitten im Leben. «Wenn ich daran denke, was ich für Krisen durchgemacht habe, darf ich sagen, dass ich sehr ausgeglichen bin und dass ich einen Sinn im Leben gefunden habe. Ich bin wirklich zufrieden.»