Die Künstlerin Barbara Gwerder hat ein Jahr lang auf etwa 1800 Metern über Meer gemalt. Grosse Bilder, zum Teil bei Regen und Schnee. Gewohnt hat sie während der Zeit in einer kargen Hütte. Ungefähr 60 Gemälde entstanden – in ihrer ursprünglichen Heimat, dem Schwyzer Muotatal, und auf der Ruosalp im Kanton Uri.
Barbara Gwerders Partnerin, die Luzerner Filmemacherin Esther Heeb, hat diese Geschichte in einem Dokumentarfilm festgehalten. «Über den Tannen» heisst er. Nachfolgend Ausschnitte aus dem Interview mit den beiden.
Barbara Gwerder: Ich wollte möglichst hoch oben möglichst grosse Bilder malen. Ich wollte schauen, was passiert, wenn ich die heile Welt des Ateliers verlasse und mich der starken Energie der Bergwelt aussetze. Wie sich dies nachher im Bild, in meiner Malerei zeigt.
Am Anfang wusste ich ja nicht, ob das alles funktioniert oder nicht. Dann war alles von Anfang an sehr intensiv. Und am Schluss dieses Jahres zeigte ich die Bilder in einer grossen Ausstellung in Lausanne. Als ich meine Bilder dort hängen sah, merkte ich: Man sieht einen Teil dieser Kraft in den Bildern. Ich glaube, das Ganze hat mich sehr geprägt.
Die Natur hat mich geprägt, alle Wetter-Situationen haben mich und das jeweilige Bild geprägt. Denn schliesslich hat das Wetter mitgemalt: Zum Beispiel, wenn ein richtig starker Wind ging, lief die Farbe horizontal statt runter. Oder Farbe fror ein, wurde verwässert durch den Regen oder trocknete schnell wegen der Sonne. All das prägte die Bilder.
Das Überleben nimmt auf dieser Höhe einen grossen Platz ein. Ich hatte dort weder Strom noch fliessendes Wasser. Im Winter war es regelmässig minus 20 Grad kalt, ich musste Schnee schmelzen. Ab etwa vier Uhr nachmittags war ich nur noch damit beschäftigt, die Hütte zu wärmen. In dem Sinn wurde es mir nie langweilig in diesen Zeiten. Doch gleichzeitig war die Hütte zum Teil eingehüllt mit Schnee. Das fühlte sich an wie in einem Vakuum. Ein sehr spezielles Gefühl.
Nach etwa der Hälfte der ganzen Zeit merkte ich, dass es spannend ist, wenn ich mir auch in solchen Situationen eine zusätzliche Aufgabe gebe. Also fing ich an, aus dem Kleinholz, mit dem ich Feuer machte, Edelweisse zu schnitzen. Und so habe ich bis zum Ende des Projekts 3000 solche Edelweisse geschnitzt. Man kann sich also ungefähr vorstellen, dass es psychisch und physisch eine ziemliche Herausforderung war, dort oben zu leben – und dass ich solche Arbeiten brauchte, um überhaupt zu überleben.
Esther Heeb: Die richtige Nähe und Distanz zu finden, war nicht einfach. Denn Barbara wollte ja eigentlich in Stille und Einsamkeit sein. Wenn dann immer eine Kamera zugegen ist, ist das ja ein totaler Widerspruch. Also haben wir im Vorfeld viel diskutiert, wie wir das machen könnten.
Da wir ein Paar sind und uns gut kennen, haben wir dann auch Wege gefunden, wie uns das gelingen könnte. Ich konnte sie davon überzeugen, dass wir einfach mal anfangen.
Es gab dann zum Beispiel folgende Situation: Ich kam auf die Alp, sah Barbara gerade da stehen, dachte «wow, wunderbar». Ich packte alles aus, ging zu ihr hin und war fast bereit, da lief sie plötzlich davon. Und ich sagte: «Könntest du jetzt nicht einfach 2-3 Minuten einfach hier bleiben, damit ich filmen kann?!» Über alles ist es uns gut gelungen, die passende Nähe und Distanz zu finden.
Ich bin ja sonst nicht immer dabei, wenn Barbara Kunst macht. In diesem Projekt hat mich immer wieder Barbaras wahnsinniger Enthusiasmus erstaunt: Dieses Dranbleiben, die grossen Bilder rumschleppen – immer wieder holen, zurückstellen, holen … Dadurch habe ich noch mehr Respekt bekommen vor ihrem Projekt und die ganze Malerei bekam dadurch eine ziemliche Tiefe.
Der Film wird in Altdorf und Luzern gezeigt
SRF 1, Regionaljournal Zentralschweiz, 17:30 Uhr