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Obergericht Aargau 800 Tage Haft, dann Freispruch, jetzt die Verurteilung

Das Urteil: 8 Jahre Freiheitsstrafe – dieses Urteil fällte das Obergericht des Kantons Aargau am Montag. Schuldig der versuchten vorsätzlichen Tötung ist ein heute 56-jähriger Mann. Er hat die Tat vor 4 Jahren begangen. Das Gericht hat sein Urteil vorerst ohne Begründung publiziert. Die schriftlichen Erklärungen folgen später.

Der Fall: Am 28. Januar 2015 erhielt die Aargauer Kantonspolizei einen Notruf aus Möhlin. Eine Frau gab an, ihr Ehemann habe versucht, sie mit einem Kissen im Schlafzimmer auf dem Bett zu ersticken. Der Ehemann bestreitet dies bis heute.

Die Beziehung: Das Paar kannte sich seit 20 Jahren. Beide gaben vor Gericht an, dass sie eine «gute und stabile» Ehe geführt hätten. In der Ehe seien jedoch erste Probleme aufgetaucht, als der Ehemann seinen Job verloren habe und die Frau beruflich Karriere gemacht habe. Zuletzt vermutete die Ehefrau, dass ihr Mann eine Affäre habe – sie wollte deshalb die Scheidung.

Die Ermittlungen: Die Ermittlungen dauerten sehr lange. Der mutmassliche Täter, der Ehemann, befand sich in dieser Zeit in Haft. Zuerst sass er in Untersuchungshaft, dann in Sicherheitshaft. Insgesamt waren es über 800 Tage. Die Begründung der Behörden für die Sicherheitshaft: Weil der Ehemann aus Deutschland stamme, bestehe Fluchtgefahr.

Das erste Urteil: Das Bezirksgericht Rheinfelden sprach den heute 56-jährigen Ehemann im April 2017 vom Vorwurf der versuchten vorsätzlichen Tötung frei. Das Gericht urteilte nach dem Grundsatz «im Zweifel für den Angeklagten». Es war ein schwieriger Indizienprozess, es stand Aussage gegen Aussage, eindeutige Beweise fehlen.

Die Kritik: Nach dem Freispruch wurde die lange Haftzeit des Beschuldigten kritisiert. Wie kann es sein, dass jemand ohne eindeutige Beweise über 800 Tage hinter Gittern sitzen muss? Dies sorgte schweizweit für Schlagzeilen. Der Fall wurde auch in einer Folge der Sendung «Reporter» des Schweizer Fernsehens thematisiert.

Der Schuldspruch: Sowohl die Staatsanwaltschaft wie auch die Ehefrau des Beschuldigten zogen das Urteil des Bezirksgerichts Rheinfelden weiter. Das Obergericht kam jetzt zum Schluss, die Beweislage reiche aus, um den Mann zu verurteilen. Er muss seiner Frau eine Genugtuung von 15'000 Franken zahlen. Und er muss praktisch alle Kosten der Verfahren vor dem Bezirksgericht und dem Obergericht zahlen.

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