Anfang Woche fegte «Sabine» durch die Schweiz – riss Bäume aus, deckte Dächer ab und brachte ganze Skigebiete zum Stillstand. In der Zentralschweiz krachten Bäume auf Stromleitungen, was zu kleineren Waldbränden und gröberen Stromausfällen führte. Am Montag waren der ganze Kanton Uri und Teile von Schwyz für mindestens zwei Stunden ohne Saft.
Das Ereignis führte vor Augen, wie abhängig die industrialisierte und digitalisierte Welt von einer konstanten Stromversorgung ist. Fällt sie weg, steht praktisch alles still – nur wenige Firmen und Institute haben Notstromaggregate. Nach zwei Tagen Stromausfall würde es chaotisch, sagt Urs Meyer, der bei den Centralschweizerischen Kraftwerken CKW für das Stromnetz verantwortlich ist.
SRF News: Am Montag war ganz Uri für zwei Stunden ohne Strom. Was bedeutet ein solcher Ausfall für die Betroffenen?
Urs Meyer: Für Privatkunden ist das in erster Linie unangenehm: Der Computer funktioniert nicht mehr, das Kühlfach taut auf und die Heizung fällt aus. Für Kunden aus der Industrie kann es einen beträchtlichen Produktionsausfall bedeuten. Ein wirklich grosses Problem besteht jedoch noch nicht.
Jede grössere Stadt hat Spitäler, wo Menschenleben von einer konstanten Stromversorgung abhängen. Wie wird die Stromversorgung da sichergestellt?
Spitäler haben eine vom normalen Netz unabhängige Notstromversorgung – konkret handelt es sich um Dieselgeneratoren. Dasselbe gilt auch für Polizeiposten, Tankstellen, Kraftwerke und grosse Rechenzentren.
Wie lange hält das Notstromaggregat durch?
Generell lässt sich das nicht sagen, bei Spitälern sind mindestens 48 Stunden branchenüblich. Danach braucht es neuen Diesel für die Generatoren.
Ab dem zweiten Tag wird es kritisch.
Weil nicht sicher ist, dass die Lieferkette in einem Krisenfall noch funktioniert, lohnt es sich für die Betroffenen sicher, darüber nachzudenken, die autonome Versorgung für noch längere Zeit sicherzustellen.
Der Bund geht davon aus, dass die Schweiz alle dreissig Jahre mit einem Stromausfall rechnen muss, von dem mehrere Kantone betroffen sind und der über Tage andauert. Was würde ein solches Ereignis bedeuten?
Ab dem zweiten Tag eines Stromausfalls wird es kritisch. Viele Wasserwerke haben keine Notstromversorgung, das heisst, es gibt kein frisches Wasser mehr und auch die WC-Spülung funktioniert nicht. Dann bricht der ganze Zahlungsverkehr zusammen, in den Läden tauen die Tiefkühler auf und die Lebensmittel verderben. Das nimmt die Dimension eines echten Notstands an. Aktuell ist die Wahrscheinlichkeit, dass so etwas eintrifft, sehr klein. Für die nächsten zwanzig Jahre kann ich das jedoch nicht ausschliessen, wenn ich mir die Entwicklung im europäischen Stromnetz anschaue.
Was meinen Sie damit?
Das Schweizer Stromnetz wurde als Bestandteil des europäischen Netzes aufgebaut, aktuell sind wir jedoch nicht mehr wirklich Teil davon. Die EU ist der Meinung, die Schweiz könne erst wieder Bestandteil des Stromverbunds sein, wenn sie ein Strommarktabkommen unterschreibt. Das wiederum ist abhängig vom Rahmenabkommen. Das heisst also, für eine sichere Stromversorgung braucht die Schweiz das Rahmenabkommen. Es bleiben uns noch ein paar Jahre, um mit der EU eine Lösung zu finden.
Wie können sich die Bürgerinnen und Bürger auf einen Stromausfall vorbereiten?
Hier gelten die Empfehlungen, die auch für Naturkatastrophen gelten: Einen vernünftigen Lebensmittel-Notvorrat anlegen, batteriebetriebene Taschenlampen und Radioempfänger anschaffen und den Tiefkühler zulassen, um das Auftauen zu verzögern.
Das Gespräch führte Lars Gotsch.