Die Frau war vor sechs Jahren zum zweiten Mal innerhalb von 24 Stunden wegen starker Rücken- und Brustschmerzen in die Notfallstation des Kantonsspitals St. Gallen gekommen. Der diensthabende Assistenzarzt diagnostizierte muskuläre Schmerzen am Skelett, welche sich die junge Frau bei einem Sturz in der
Badewanne zugezogen hatte.
Tatsächlich litt die Frau an einer schweren Schädigung der Gefässwand der Hauptschlagader. Er gab ihr starke Schmerzmittel und schickte sie nach Hause. Fünf Tage später und nach weiteren Konsultationen bei ihrer Hausärztin starb die
Patientin.
«Klare Hinweise»
Am Mittwoch musste sich der heute 38jährige Arzt wegen fahrlässiger Tötung vor dem Kreisgericht St. Gallen verantworten. Die Staatsanwaltschaft verlangte eine bedingte Geldstrafe. Der Arzt habe seine Sorgfaltspflicht verletzt, heisst es in der Anklageschrift. Gemäss einem Gutachten habe es klare Hinweise auf die lebensbedrohliche Krankheit der Patientin gegeben. Sie habe unter Bluthochdruck gelitten und über starke Schmerzen geklagt.
Der diensthabende Arzt hätte eine Computertomographie anordnen müssen, schreibt die Staatsanwältin. Die richtige Diagnose und eine Operation hätten die junge Frau gerettet.
Keine strafrechtlichen Fehler gemacht
Der Einzelrichter sprach den Arzt nach einer mehrstündigen Verhandlung frei. «Es war ein tragischer Todesfall. Sie haben strafrechtlich keine Fehler gemacht», sagte der Richter bei der Urteilseröffnung.
Keiner der behandelnden Ärzte habe bei der jungen Patientin eine solche lebensbedrohliche Krankheit vermuten können. Eine schwere Schädigung der Hauptschlagader sei extrem selten und treffe fast immer ältere Patienten , sagte der Arzt bei der Befragung.