Die Geburtsstunde des Trabant: In den frühen 1950er Jahren manifestiert sich die deutsch-deutsche Trennung: In der Bundesrepublik rollen auf den Strassen VW Käfer – in der DDR nicht. Das DDR-Regime will aber gleichziehen, auch um die massenhafte Flucht in den Westen einzudämmen. Ein erschwingliches Pendant zum Käfer soll her – auch wenn ein privates Auto gegen das sozialistische Dogma verstösst. Das Politbüro gibt 1954 einen Wagen in Auftrag. Er soll familientauglich sein, ausreichend Platz für Gepäck bieten, leicht und sparsam sein. Die Idee zum Trabant ist geboren. Am 7. November 1957 rollen die ersten 50 Modelle vom Band. Produziert werden sie von den Volkseigenen Betrieben Sachsenwerk in Zwickau.
Darum heisst das Auto «Trabant»: In der Entwicklungsphase des Wagens kreist der sowjetische «Sputnik» um die Erde. «Sputnik» heisst auf Russisch «Begleiter». Ein «Trabant» ist ein Begleiter. Aus einem Wettbewerb geht dieser Name als Gewinner hervor.
Aufbau und Technik: Die Ingenieure bauen den Trabant unter widrigen Umständen. Materialknappheit und fehlende Produktionsstätten beeinflussen die Herstellung massgeblich. Das passende Blech ist nicht verfügbar. Aus Baumwollresten und Kunststoff wird deshalb ein neues Material für die Aussenhaut entwickelt. Lediglich die Karosserie bestand aus Stahlblech. Wegen der ungewöhnlichen Verkleidung wird der Trabant auch als «Rennpappe» oder «Plastikbomber» bezeichnet. Unter der Motorhaube knattert ein Zweizylinder-Zweitakter – und das bleibt über Jahrzehnte so.
Preis und Wartezeit: Der Trabant soll ein erschwingliches Fahrzeug für «Otto Normalverbraucher» sein – und ist genau das nicht. Im Schnitt kostet der «Trabi» 10'000 Mark bei einem Durchschnittslohn von rund 800 Mark (1980). Hinzu kommen Wartezeiten – lange Wartezeiten: Bürger müssen bis zu 16 Jahren auf ihr Auto warten. Schuld ist die umständliche Produktionstechnik. Das DDR-Regime verhindert neue technische Möglichkeiten.
Von der Geschichte überrollt – der «Trabi»
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Bild 1 von 8Legende: Am 7. November 1957 wird der Trabant Wirklichkeit. Nach vierjähriger Entwicklungszeit rollen 50 Nullserienwagen vom Band, d.h. es waren eigentlich Modelle, die zu Testzwecken gebaut wurden. Die eigentliche Serienproduktion des Trabant P50 begann 1958. Rene Schwietzke
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Bild 2 von 8Legende: Während in der Bundesrepublik der VW Käfer zum Renner avancierte, sollte es ihm der Trabi in der DDR gleichtun. Ursprünglich galt ein Privatfahrzeug in der sozialistischen DDR als verpönt. Weil man aber mit dem Westen Schritt halten wollte, sollte ein massentauglicher Kleinwagen konstruiert werden. Keystone
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Bild 3 von 8Legende: Besonderheit und Problem in einem: Die Karosserie des Trabant besteht aus Stahlblech, die Aussenhaut aus baumwollverstärktem Phenoplast, also Kunststoff. Der «Trabi» bekam deshalb Spitznamen wie «Rennpappe» oder «Plastikbomber». Die Produktion ist umständlich. Es kommt zu Lieferengpässen. Im Bild: Ein Trabant Kübel der Nationalen Volksarmee (NVA). Keystone
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Bild 4 von 8Legende: Schleppende Produktion und verzögerte Lieferung, dazu gibt es kaum Weiterentwicklungen in der Produktlinie. Das macht den «Trabi» in den Wendejahren 1989/90 zum Auslaufmodell. Viele DDR-Bürger wollen ihn so schnell wie möglich los werden. Keystone
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Bild 5 von 8Legende: Bevor der «Trabi» aber in der Mottenkiste der Geschichte landen sollte, prägt er sich als das Auto der Wende schlechthin ein. Kaum war die Mauer gefallen, sorgen Kolonnen von «Trabis» für Stau an den deutsch-deutschen Grenzübergängen. Die knatternde «Rennpappe» wird so zum Symbol der Wende schlechthin. Keystone
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Bild 6 von 8Legende: Der Trabant 601 ist das populärste Modell. Er wird von 1964-1990 produziert. 1988 waren 1,9 Millionen in der DDR zugelassen. Interessenten brauchten jedoch viel Geduld. Die Wartezeit pro Fahrzeug lag bei 15 Jahren. Zudem stieg der Preis auf stattliche 13'000 (DDR)-Mark. Nach der Wende ist er im freien Verkauf erhältlich, aber kaum einer will ihn. Keystone
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Bild 7 von 8Legende: Verschwunden ist der Trabant aber längst nicht, auch wenn er ab und an als Museumsstück daher kommt. Im DDR-Museum in Berlin kann man beispielsweise in einem Fahrsimulator das Trabi-Feeling noch einmal erleben. Einige Exemplare sind aber auch noch in «freier Wildbahn» aufzufinden. DDR Museum, Berlin 2017
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Bild 8 von 8Legende: Die «Rennpappe» fährt und Fanclubs gibt es zuhauf, auch in der Schweiz. Dies ist auch der einfachen Technik zu verdanken. Falls mal eine Reparatur anstehen sollte: «Mit einem Schraubenzieher, einem Stück Draht und einem Gummi kann man den Trabi flicken», erklärt ein Schweizer Trabi-Fan die Reparaturtechnik. Keystone
Weiterentwicklung und Besonderheiten: Der Trabant wird in vier Serien produziert. Im Prinzip ändert sich an der Technik seit den frühen 1960er Jahren aber nichts. Ein bisschen mehr Motorleistung hier, eine neue Zierleiste da und irgendwann war sogar eine Tankanzeige im «Cockpit». Das Grundkonzept aber bleibt. Das eigentlich moderne Auto wird so über die Jahre zu einem rückständigen Vehikel. 1989 sollte mit dem Vierzylinder-Motor der neue grosse Wurf gelingen, allerdings kam da der Mauerfall dazwischen.
Bedeutung in der DDR: Für diejenigen, die einen «Trabi» haben, eröffnen sich in der DDR neue Möglichkeiten. «Für uns war das damals auch ein Stück Freiheit. Wir sind mit dem Trabant nach Bulgarien gefahren. Hinten die zwei Kinder rein, dann sind Mama und Papa an die Ostsee gefahren und haben die Freiheit genossen», sagt Wolfgang Kiessling, ein ehemaliger Mitarbeiter der Trabant-Produktion.
Das Wende-Symbol: In den Tagen und Wochen nach der Grenzöffnung vom 9. November 1989 geniessen die DDR-Bürger endlich ihre Freiheit. Ganze «Trabi»-Kolonnen stauen sich an den Grenzübergängen. Die knatternden Zweitakter sorgen in den westdeutschen Städten für grosse Augen. Der Trabant wird so zum Symbol der deutschen Wiedervereinigung. Trotzdem: Sein Ende naht.
Der letzte «Trabi»: Rund eineinhalb Jahre nach dem Mauerfall rollt am 30. April 1991 in Zwickau der letzte «Trabi» vom Band. Nach über drei Millionen Wagen ist Schluss. Der Trabant ist nicht mehr zeitgemäss, Autos aus dem Westen locken. Im Zuge der sogenannten «Ostalgie» feiert die «Rennpappe» aber rasch ihr Comeback. Ein Grund: Die Enttäuschung nach der Wende gab der positiven Rückschau auf die sozialistische Diktatur Futter. «Die Ostalgie feierte die Errungenschaften der DDR und gab deren ehemaligen Bürgern ein Selbstwertgefühl», erklärt Stefan Wolle, Leiter des DDR-Museums in Berlin. «Die Ostalgie war eine Verklärung der DDR. Es war ein Phänomen der Jahre nach der Wende bis ungefähr 2005/6. Einzig der Trabi ist als Symbol der DDR noch populär.»
Der «Trabi» heute: Weil er so populär ist, rollt er noch immer über deutsche Strassen. Fast 35'000 Exemplare waren Anfang 2017 zugelassen. Auch in der Schweiz knattert hie und da der Zweitakter. Laut Reinhard Müller vom Trabantclub Schweiz sind es rund 105. «Die Preisspanne für dieses Fahrzeug bewegt sich von einigen 100 Franken bis zu stolzen Preisen von über 10'000 Franken», sagt er und lobt das, was dem Trabant auf dem Markt den Todesstoss versetzt hat: «Der Trabant ist ein einfaches Auto. Unkompliziert im Aufbau mit einer einfachen Technik. Auch ein ungeübter ‹Mechaniker› kann die kleinen Schäden an der Elektrik, am Motor und Getriebe oder an der Aussenhaut selber korrigieren.»
Der «Trabi» in der Kultur: Der Trabant hat längst Einzug gehalten in die Popkultur. In den «Go, Trabi, Go»-Filmen ist er der eigentliche Hauptdarsteller und in dem Kinofilm «Codename U.N.C.L.E.» von 2015 liefert sich ein Trabant mit einem Wartburg eine Verfolgungsjagd im geteilten Berlin. Als Sujet ist er auch auf dem längsten erhaltenen Teilstück der Berliner Mauer, der East Side Gallery, verewigt.