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Abschleppdienst im Orbit So will ein Schweizer Start-up den Weltraumschrott beseitigen

Trümmerteile scharf wie Handgranaten: Die Europäische Raumfahrtbehörde setzt auf hiesige Technik, um das All zu säubern.

700 Kilometer über unseren Köpfen schwirrt unterdessen so viel Weltraumschrott herum, dass die Internationale Raumstation ISS fast wöchentlich Ausweichmanöver fliegen muss, um nicht getroffen zu werden. Die Europäische Raumfahrtbehörde ESA investiert nun gut 100 Millionen Euro, um das zu ändern.

Das Geld fliesst in ein kleines Start-Up aus dem Umfeld der ETH Lausanne – die Firma ClearSpace. Dort sitzen neun Personen zur Besprechung. Die technische Leiterin Muriel Richard leitet die improvisierte Sitzung.

 Luc Piguet (hinten links) und Muriel Richard (rechts).
Legende: CEO Luc Piguet (hinten links) und Muriel Richard (rechts) diskutieren: Es geht um die Organisation des stark wachsenden Start-Ups, das aus der ETH Lausanne entstanden ist. SRF/Christian von Burg

Eine Kollision auf fast 800 Kilometern Höhe steht am Anfang dieser Geschichte. Vor zehn Jahren rasten ein amerikanischer und ein russischer Satellit ineinander. Ein riesiges Trümmerfeld entstand – genau in der Flugbahn des ersten Kleinsatelliten der Schweiz, den Richard und ihr Team kurz danach losschickten.

Per Mail haben sie dann regelmässig Warnungen aus Amerika erhalten: «Achtung: In zwei Tagen nähert sich Ihrem Satelliten wieder ein gefährliches Trümmerteil.» Selbst kleinste Trümmerteile von wenigen Zentimetern Grösse wirken mit einer Geschwindigkeit von 28'000 Kilometern pro Stunde wie eine Handgranate.

Eine Gefahr – für uns alle

Die ISS kann Ausweichmanöver fliegen. Der kleine Swiss-Cube-Satellit aber hat keinen Antrieb: «Nur noch beten war möglich», erinnert sich Richard. Und allen wurde schlagartig klar: Weltraumschrott ist eine riesige Gefahr – auch für alle anderen Wetter-, Kommunikations- und Forschungssatelliten, ohne die unser Alltag heute kaum mehr vorstellbar ist.

Dann traf Richard auf Luc Piguet. Ebenfalls ein Absolvent der EPFL, ein Elektroingenieur, der in der Privatwirtschaft tätig war. Gemeinsam hatten sie die Geschäftsidee, ausgediente, unmanövrierbare Satelliten aus dem Orbit zu entfernen. «Ähnlich wie ein Abschleppdienst auf der Autobahn», sagt Piguet.

Sie sind nicht die ersten mit dieser Idee. Auf die Ausschreibung der ESA hatten sich 13 Konsortien aus ganz Europa beworben. Umso grösser war die Freude in Lausanne, als vor wenigen Wochen der Zuschlag der ESA kam – und damit gut 100 Millionen Euro.

Der Auftrag: Ein etwa 100 Kilogramm schweres Überbleibsel einer ESA-Trägerrakete aus der Erdumlaufbahn entfernen. Wie das ganz genau geht, ist noch Geschäftsgeheimnis, sagt Piguet, der heute CEO von ClearSpace ist: «Es ist ein Satellit mit vier langen Roboterarmen, der dieses eine Stück Weltraumschrott umfasst, mit ihm zusammen die Erdatmosphäre ansteuert und dort mit ihm zusammen verglüht.»

Zum Andocken muss der Abschlepp-Satellit genau die gleiche Umlaufbahn und Geschwindigkeit haben, und er muss eine gewisse Autonomie haben, weil er nicht während der ganzen Umlaufzeit von der Erde aus gesteuert werden kann.

In fünf Jahren soll der Satellit starten. «Wenn der Abschleppdienst es dann schafft, mehrere Objekte nacheinander einzusammeln und damit deutlich günstiger wird, gibt es keine Ausrede mehr für Staaten und Unternehmen, alte Satelliten nicht zu entsorgen», sagt Piguet.

Allerdings ist es unklar, ob es nicht schon zu spät ist. Die Zahl der Schrottteile steigt derzeit fast exponentiell an und alles, was unter zehn Zentimeter klein ist, kann von der Erde aus gar nicht geortet werden.

Hunderttausende solcher Splitter sausen durch den Orbit. Bevor er zur nächsten Besprechung geht, sagt Piguet: «Ich denke, es ist noch nicht zu spät.» Das muss er auch, denn sonst würde seine Geschäftsidee nicht aufgehen.

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