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Michael Weber
Legende: Michael Weber ist Arbeits- und Organisationspsychologe sowie geschäftsführender Partner von bueroaundo.ch zvg

Arbeit und Freizeit «Es besteht die Gefahr der Selbstausbeutung»

Arbeit und Freizeit rücken zunehmend zusammen. Warum dies nicht nur positiv ist, erklärt Arbeitspsychologe Weber.

SRF News: Google, Facebook & Co. vermischen Freizeit und Arbeit. Die Firmen bieten Fitness- und Massagestudios, Restaurants und Kinderbetreuung. Welche Vorteile erhoffen sich Unternehmen mit einer solchen Firmenkultur?

Michael Weber: Die Vorteile liegen in der Regel in der Gewinnung von neuen Mitarbeitern. Heute ist vielerorts ein Kampf um aufgeschlossene, moderne und dynamische Mitarbeiter im Gange. Das ist eine Art, wie man sich im Kampf um neue Mitarbeiter positionieren kann. Die Unternehmen erhoffen sich natürlich dadurch auch hohe Flexibilität der Mitarbeitenden. Aus Unternehmenssicht geht diese Rechnung auf. Man schafft so meistens motivierte und stark ans Unternehmen gebundene Mitarbeiter.

Und aus der Sicht des Arbeitnehmers?

Aus arbeitspsychologischer Sicht plädieren wir für autonomieorientierte Arbeits- und Arbeitszeitgestaltung. Das kann durchaus positive Aspekte für die Mitarbeitenden haben. Sie können so den Arbeitsalltag unkompliziert gestalten. Es besteht also eine gewisse Flexibilität, wann man wo sein sollte, wie man sich die Zeit einteilen will. Dies passt auch gut zur heute weit verbreiteten Haltung von vielen Mitarbeitenden, die alles jederzeit tun können und möchten. Aber es ist auch im Sinne von Vereinbarkeit von Beruf und Familie, beispielsweise mit der Kinderbetreuung. Hier ist es sehr gut, wenn die Mitarbeiter über eine gewisse Autonomie verfügen.

Für Menschen ist es wichtig, dass sie auch einmal nicht verfügbar sein müssen.
Autor: Michael Weber Arbeitspsychologe

Das tönt ja alles sehr positiv. Aber welche negativen Folgen kann dies für den Arbeitnehmer haben?

Die negative Seite ist sicher die Dauerverfügbarkeit. Die Mitarbeiter sind präsent und entsprechend für den Arbeitgeber ständig verfügbar. Aus der arbeitspsychologischen Erholungsforschung wissen wir aber: Für Menschen ist es wichtig, dass sie auch regelmässig nicht verfügbar sein müssen, also über sogenannte Off-stage-Phasen verfügen: Man geht am Abend schlafen und kommt am nächsten Morgen wieder erholt zur Arbeit. Dann setzt man sich wieder einer gewissen Belastung aus, ermüdet und hat danach wieder eine Erholungsphase. Wenn das zunehmend ineinanderfliesst – das kann für gewisse Mitarbeiter sehr gut sein, aber auch zu Überforderung führen.

Dies kann zu betriebsblinden und trägen Mitarbeitern führen.
Autor: Michael Weber Arbeitspsychologe

Das könnte dann also zu einem Burn-out führen?

Zumindest Phänomene von Selbstausbeutung sind bekannt. Also, dass die Leute das Gefühl haben, sie haben ein Umfeld, in dem sie sich gut erholen können, dabei verausgaben sie sich. Es kann auch zu einer gewissen Vereinnahmung durch die Arbeit kommen. Weil man sich sehr oft am Arbeitsort aufhält – dank den vorhandenen Angeboten, für die man normalerweise mal von der Arbeit wegginge.

Und welche negativen Auswirkungen kann dies für die Unternehmen haben?

Dies kann zu betriebsblinden Mitarbeitern führen. Ihnen fehlt eine Aussenperspektive, weil sie sich so oft im Umfeld ihres Arbeitgebers aufhalten. Es kann auch vorkommen, dass sich Mitarbeitende zu stark mit dem Unternehmen verbunden fühlen. Das Resultat ist dann eine gewisse Trägheit und Bequemlichkeit. Die Überlegung dahinter: Wenn es ein so bequemes Nest gibt, bleibe ich, weil mir die vorhandenen Zusatzangebote gefallen und nicht, weil mich die Arbeit reizt oder fordert. Es liegt nicht im Interesse des Unternehmens, solche Mitarbeiter in den eigenen Reihen zu haben.

Was kann ein Arbeitgeber dagegen tun?

In vielen Fällen gehen Unternehmen nicht dagegen vor, häufig bleibt dies unbemerkt. Das sind Prozesse, die auf individueller Ebene stattfinden. Als Arbeitnehmer äussere ich mich selten offen meinem Arbeitgeber gegenüber, dass es primär die Kontextfaktoren sind, die mich an die Firma binden und nicht die Arbeit.

Das Gespräch führte Richard Müller.

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