«Ich habe keinen Hochschulabschluss, aber ich habe über 40 Jahre lang Antikes ausgegraben. Vieles von dem kann heute in den wichtigsten Museen der Welt bestaunt werden.» Pietro Casasanta war ein Tombarolo, wie man in Italien Kunsträuber für Antikes nennt.
Casasanta ist heute ein alter Mann. Um die Jahrtausendwende wurde er international berühmt – fand die Polizei doch heraus, dass er 1993 bei Palestrina eine römische Skulptur ausgrub. Die sogenannte Triade Capitolina stellt Jupiter, Juno und Minerva dar. Es handelt sich dabei um ein Meisterwerk antiker Kunst, das komplett erhalten ist. Der Kunstdieb verkaufte es einem Schweizer Kunsthändler. Doch die italienische Polizei kam dem illegalen Deal auf die Spur.
Steigende Zahl von Kunsträubern
Tombaroli wie Casasanta gibt es in Italien immer mehr, glaubt man dem jüngsten Schwarzbuch der Polizei. Betroffen ist vor allem der Grossraum Neapel, wo sich die beiden bedeutenden archäologischen Grabungsstellen Pompeji und Herculaneum befinden.
Massimo Osanna, Direktor des archäologischen Parks von Pompeji, und seine Mitarbeiter konnten vor wenigen Tagen einen bemerkenswerten Fund machen. Und dies deshalb, weil die Polizei Grabungsarbeiten von Kunsträubern aufgedeckt hatte. «Seit Langem verfolgen wir die Grabungen der Tombaroli und stiessen so auf die erstaunlich gut erhaltenen Reste einer Villa ausserhalb des archäologischen Parks.»
Rennpferd entdeckt
Nachdem er von der Polizei alarmiert worden sei, habe sein Team sofort die offiziellen Grabungsarbeiten begonnen, «um zu retten, was noch zu retten war», sagt Osanna. In einem antiken Pferdestall lag ein gut erhaltenes Rennpferd. Es war durch den Ascheregen des 79 nach Christus ausgebrochenen Vesuv verschüttet worden.
Wir wollten retten, was noch zu retten war.
Im Grossraum Neapel liegen noch viele andere Schätze aus der Antike begraben. Oft wurde mit der Ausgrabung nicht begonnen, weil das Kulturministerium in Rom, die Region Kampanien und die Stadt Pompeji nicht genug Geld haben. Die Region zieht stattdessen zunehmend Kunstdiebe an.
Geld und internationale Kontakte
Es handle sich um hoch spezialisierte Experten, die vor allem mit ausländischen Kunsthändlern und Sammlern zusammenarbeiten würden, sagt Corrado Lembo von der Polizei im kampanischen Santa Maria Capua Vetere.
Im Erdreich lägen noch viele Schätze, die nicht ausgegraben würden, weil es an Personal und Geld mangle. «In die Bresche springen Kunsträuber mithilfe der organisierten Kriminalität.» Die Bosse hätten Geld und die internationalen Kontakte, um die Funde gewinnbringend zu verkaufen. «Wir können nichts tun, um diese Schätze zu schützen», sagt Lembo.
Kaum mehr Mittel
Er und seine Kollegen in der süditalienischen Region Kampanien sind machtlos. Die Camorra besticht das Wachpersonal und lässt auch in den archäologischen Parks graben, wo die staatlichen Archäologen ihre Spaten noch nicht ansetzen konnten.
Wir können nichts tun, um diese Schätze zu schützen.
Was zu tun ist gegen die Tombaroli, ist klar: Es braucht mehr öffentliche Finanzmittel zur Bewachung und Erforschung antiker Fundstellen. Doch damit ist nicht zu rechnen – auch nicht seitens des neuen Kulturministers, der in diesen Tagen nominiert werden wird.
Leichtes Spiel für Kunsträuber
Die neue Regierung plant nicht, das lächerlich geringe Budget des italienischen Kulturministeriums, das derzeit weniger als ein Prozent des gesamten Regierungsbudgets ausmacht, anzuheben. Italiens Kunsträuber werden weiterhin leichtes Spiel haben.