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Arktisches Forscherdorf Mit den Wolkenforschern auf Spitzbergen

Wenn es ein Paradies gibt für Arktisforscher, dann ist es das Dorf Ny-Ålesund auf Spitzbergen in Norwegen. Hier kann man den Klimawandel in all seinen Facetten besonders gut studieren. Zum Beispiel die Wolken. Eine Reportage aus dem Wolkenlabor.

Über den bunten Holzhäusern von Ny-Ålesund hängen dunkle Wolken. Die meisten Forscher müssen an diesem Morgen im Mai im Warmen bleiben, das Wetter ist zu schlecht für eine Expedition auf den nahen Fjord oder einen Gletscher.

Einer aber freut sich: Der Wolkenforscher Paul Zieger. «Wir haben gerade eine schöne, dicke Wolke oben am Zeppelin. Es kann sein, dass wir oben gerade eine verschmutze Wolke messen.»

Leuchtrakete gegen Eisbären

Thomas Häusler

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Porträt Thomas Häusler.

Seit 2013 leitet Thomas Häusler die Redaktion Wissenschaft von SRF, zu der er bereits 2007 stiess. Zuvor war er Ressortleiter Wissenschaft beim damaligen Magazin «Facts».

Der Zeppelin ist der Hausberg von Ny-Ålesund. Auf seinem Gipfel steht eine Messstation. Paul Zieger kann die Analysegeräte dort oben vom Tal aus ablesen. Und diese haben ihm eine besondere Wolke angezeigt: Ein Exemplar mit vielen Russpartikeln im Innern. Der Forscher muss nun hinauf, um die Filter zu wechseln. «Ich bin noch drei Wochen hier, da muss jede Wolke genutzt werden», meint der Forscher.

Wir fahren mit einer Mini-Gondel nach oben und ich erfahre, dass in Ny-Ålesund sogar eine Seilbahnfahrt zum Abenteuer werden könnte. «Wir sind hier super vorbereitet. Wir haben ein Abseil-Kit, falls wir steckenbleiben. Zudem haben wir warme Kleidung in der Seilbahn, ein Walkie-Talkie für das norwegische Polarinstitut. Und eine kleine Leuchtrakete, um Eisbären zu verjagen, falls sie an der Seilbahnstation auf uns warten.»

Wolken voller Russ

Nach wenigen Minuten kommen wir bei der Station an. Diese hat mehrere Labors. Alle sind vollgestopft mit Messgeräten. Es ist pieksauber, hier stört jedes Stäubchen, jeder Tropfen. Darum gibt es auch keine Toilette.

Der sogenannte Wolkeneinlass macht ein lautes Geräusch. Der Wolkeneinlass ist ein Rohr auf dem Dach, durch das die Wolke in die Analysegeräte eingesaugt wird. Ein Blick auf einen der vielen Monitore zeigt Paul Zieger: Diese Wolke strotzt tatsächlich vor Russ. «Das ist wirklich verschmutzte Luft, die bis hier hoch transportiert wird.» Er wird nun noch die Filter austauschen, damit weiter gemessen werden kann. Der Russ wird auf Filtern gesammelt und später im Labor untersucht.

Die Forscher wollen wissen, welchen Einfluss kleine Teilchen auf das Klima haben, erklärt Zieger. Kleine Teilchen stehen am Anfang jeder Wolke. Sie bildet sich nur, wenn es solche Teilchen in der Luft hat. An diesen sogenannten Aerosolen lagert sich Wasserdampf ab und bildet Wolkentröpfchen.

«Grosse Teilchen formen leichter Wolkentröpfchen als kleine Teilchen. Aber es hat auch mit der Chemie zu tun. Es gibt gewisse Stoffe, wie zum Beispiel Meersalze, die mögen es, Wasser aufzunehmen. Die Formen schneller Wolkentröpfchen als zum Beispiel Russ, weil dieses nicht so gerne Wasser aufnimmt.»

Viele wichtige Details der Wolkenbildung sind ungeklärt. Es gibt zum Beispiel die Frage: Favorisiert Russ die Wolkentröpfchen? «Einige Studien sagen ja, Russ ist in Wolken angereichert – und andere Studien sagen genau das Gegenteil.»

Beitrag von kleinen Teilchen falsch eingeschätzt

Für die Forschung ist diese Ungewissheit ein Problem. Denn Wolken können das Klima abkühlen oder aufheizen. Das hängt von ihren Eigenschaften ab. Man müsste also wissen, wie sich die Wolkenbildung durch die Klimaerwärmung verändert. Aber das ist gerade in der Arktis schwierig.

«Da es hier relativ wenig Beobachtungen gibt, sind hier die Unsicherheiten sehr gross. Was wir hier oben zum Beispiel gesehen haben, dass die ganz kleinen Aerosol-Teilchen auch Wolkentröpfchen bilden. Und in vielen Modellen wird das gar nicht parametrisiert.» Das heisst, die Forscher haben in ihren Simulationen des Klimas den Beitrag von kleinen Teilchen in der Luft falsch eingeschätzt.

Russwolken verändern das Klima

Heute läuft die Messung besser. Paul Zieger verpackt die Filter mit dem eingefangenen Russ in kleine Behälter, um sie später in seinem Labor in Stockholm zu analysieren. «Man ist hier oben für drei Wochen und misst die ganze Zeit. Bis jetzt hatten wir nur so kleine Wolken, dünne Wolken. Aber heute könnte unser goldene Tag gewesen sein.»

Paul Zieger denkt an die wissenschaftlichen Daten, die er heute sammeln kann. Für die Arktis sind Russwolken alles andere als goldig. Immer wieder gelangen welche aus den südlichen Ballungszentren nach Norden, wo sie die Luft verschmutzen und das Klima verändern.

Der Forscher hat eine Vermutung, woher der Russ diesmal gekommen ist: In Sibirien lodert bei einer Erdölanlage ein Brand, die Winde würden passen. Vielleicht ist aber auch die Industrie in Europa schuld. Sie schickt ebenfalls regelmässig dicke Luft in die Arktis.

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