Herzoperationen, die erst am Nachmittag stattfinden, sollen das Risiko für Komplikationen senken. Zu diesem Schluss kommt eine ausgeklügelte französische Studie.
Die Forscher analysierten Gewebeproben sowie konkrete Operationsfolgen von rund 600 Patienten. Alle waren während ihres Eingriffs an einer Herz-Lungen-Maschine angeschlossen. Es zeigte sich: Am Nachmittag Operierte hatten seltener Herzinfarkte und andere gravierende Folgen als die Patienten der Morgenschicht.
Eine Gewebeanalyse zeigte: Die Herzzellen erholten sich besser bei den am Nachmittag vorgenommenen Eingriffen. Dabei scheinen Gene eine Rolle zu spielen, welche zur «inneren Uhr» der Herzzellen gehören. Diese Gene waren bei den Nachmittag-Patienten besonders aktiv.
Herzen würden es aufgrund ihres Biorhythmus also womöglich vorziehen, nicht vor der Siesta operiert zu werden
Wegen der biologische Uhr reagiert das Herz auf eine Sauerstoffreduktion während der Operation unterschiedlich, je nachdem, ob der Eingriff am Vormittag oder am Nachmittag stattfindet.
Dass der Körper viele Funktionen am Morgen anders regelt als am Abend, ist unbestritten. Und schon frühere Studien haben gezeigt, dass Herzinfarkte, die sich am Morgen ereignen, schwerer verlaufen. Auch das spricht für Einflüsse des Biorhythmus auf das Herz.
Doch in der Praxis sieht es genau umgekehrt aus: Es werden möglichst viele Operationen am Morgen eingeplant, die Risiko-Patienten in der Regel sowieso. Die heute gängige Planung kommt den Chirurgen, dem übrigen Personal und der ganzen Spitalstrukturen entgegen.
Zürich und Basel geteilter Meinung
Ob die Spitäler durch eine andere Operations-Planung tatsächlich viele Komplikationen vermeiden könnten, ist umstritten. Während manche Fachleute den Ansatz interessant finden und ein Potential darin sehen, sind andere skeptisch.
Michele Genoni, Chefarzt Chirurgie am Zürcher Stadtspital Triemli, glaubt nicht an Nachteile bei Eingriffen am Morgen. Jedenfalls konnte eine erste Auswertung von Herzoperationen an seiner Klinik die Ergebnisse der französischen Forscher nicht bestätigen. Im Gegenteil: Am Nachmittag Operierte hatten höhere Troponin-Werte im Blut – ein Indiz für Herzmuskelschäden.
Der Biorhythmus einer Zelle? Das dünkt mich doch ein wenig ‹too much›...
Andere Fachleute halten einen Einbezug des Biorhythmus für durchaus bedenkenswert, zum Beispiel Kardiologe Christian Müller, der am Universitätsspital Basel die Klinische Forschung leitet. Er kann sich gut vorstellen, dass Behandlungen verbessert werden könnten, wenn Chirurgen den Biorhythmus des Herzgewebes mitberücksichtigen würden.
Denkbar wäre zum Beispiel, Hochrisikopatienten am Nachmittag zu operieren. Weiter wird es vielleicht einmal möglich sein, die körperlichen Schutzmechanismen bei Morgen-Patienten zu medikamentös zu aktivieren.
Damit der Ansatz Chancen hat, in die Praxis einzufliessen, müssen weitere Studien noch eindeutigere Erkenntnisse liefern. Die Diskussion ist jedenfalls eröffnet.