Der Schweizer Schriftsteller und Dramatiker Lukas Bärfuss hat in Darmstadt den Georg-Büchner-Preis 2019 verliehen bekommen.
Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung hatte ihn im Juli als Preisträger bekannt gegeben.
Bei seiner Rede hat der neue Georg-Büchner-Preisträger Lukas Bärfuss vor einem Vergessen der Nazi-Diktatur und des Holocaust gewarnt. Der an ihn verliehene und mit 50'000 Euro dotierte Preis gilt als wichtigste literarische Auszeichnung in Deutschland.
Die Einschätzung von Literatur-Redaktor Julian Schütt
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Die Rede von Lukas Bärfuss ist sowohl brisant als auch bewegend. Sie bezieht sich allerdings nicht, wie von manchen erwartet, auf die Schweiz, sondern sie zielt auf ganz Europa und besonders auf Deutschland. Bärfuss sieht sich als Schriftsteller, der noch im Kalten Krieg des 20. Jahrhundert aufgewachsen ist, als man dachte, die Geschichte sei ein für alle Mal in zwei Machtblöcke aufgeteilt.
Dann aber, genau vor 30 Jahren, beim Fall der Mauer, zeigte sich, dass Geschichte sich doch ändern lässt, wenn man sie ändern will. Um diese Veränderung geht es dem Autor Lukas Bärfuss und er fragt in seiner Rede, warum heute in Deutschland wieder Naziparolen und Faschisten aufkommen. Die Nazis, so seine Antwort, waren eben nie verschwunden. Die Nazi-Eliten konnten nach 1945 unbeirrt weitermachen. Aber wir haben alle gern vergessen, dass es nie eine wirkliche Entnazifizierung gegeben hat. Heute sterben die letzten Überlebenden des Naziterrors, und die Frage stellt sich auch für die Literatur, wie das Vergessen und Wiederaufflammen des Nazismus verhindert werden kann.
Mit dieser grossartigen Rede steht Lukas Bärfuss seinen berühmten Schweizer Vorgängern Max Frisch (1958), Friedrich Dürrenmatt (1986) und Adolf Muschg (1994) in nichts nach.
«Es bleibt die Aufgabe meiner Generation, die Erinnerung lebendig zu halten», sagte der 47 Jahre alte Schweizer Schriftsteller bei der Preisverleihung in Darmstadt. «Wer den letzten Krieg vergisst, der bereitet schon den nächsten vor.»
«Topografie der unbeantworteten Fragen»
Erinnerung sei Voraussetzung, um nicht zu vergessen, sagte Bärfuss. Nazis und ihr Gedankengut seien nicht plötzlich wieder da, sagte er. Sie seien überhaupt nie weg gewesen.
Die Dramaturgin Judith Gerstenberg sagte in ihrer Laudatio über Bärfuss: «Mit seinem bisherigen Werk hat er eine umfangreiche Topografie der unbeantworteten und unbeantwortbaren Fragen unserer Zeit erstellt.»
Er sehe früher als andere, was uns beschäftigen müsste. «Das Schreiben ist ihm Instrument, die Welt zu greifen, ihre Zusammenhänge zu erkennen, Orientierung zu finden – vielleicht dadurch auch Halt.»
Herausragender Erzähler
Zur Begründung ihrer Entscheidung hatte die Jury der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung erklärt, dass Bärfuss einer der herausragenden Erzähler und Dramatiker der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur sei.
Das Werk des mehrfach ausgezeichneten 47-Jährigen ist umfassend. Romane, Novellen, Essays und Theaterstücke: Zu seinen bekanntesten Arbeiten gehören die Romane «Hundert Tage» über den Völkermord in Ruanda und «Koala» über den Suizid seines Bruders sowie das Bühnenstück «Die sexuellen Neurosen unserer Eltern».
Der Georg-Büchner-Preis
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Die Akademie vergibt die Auszeichnung seit 1951 an Schriftsteller, die in deutscher Sprache schreiben. Die Preisträger müssen «durch ihre Arbeiten und Werke in besonderem Masse hervortreten» und «an der Gestaltung des gegenwärtigen deutschen Kulturlebens wesentlichen Anteil haben».
Zu den Preisträgern gehören Max Frisch (1958), Günter Grass (1965) und Heinrich Böll (1967) sowie seit 2014 Jürgen Becker, Rainald Goetz, Marcel Beyer, Jan Wagner und zuletzt die Schriftstellerin Terézia Mora.
Namensgeber des Preises ist der Dramatiker und Revolutionär Georg Büchner («Woyzeck»). Er wurde 1813 im Grossherzogtum Hessen geboren und starb 1837 in Zürich an Typhus.
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