Lange war nicht klar, ob das internationale Comic-Festival Fumetto in Luzern auch dieses Jahr abgesagt werden würde, nachdem bereits die letztjährige Ausgabe wegen der Corona-Pandemie ins Wasser gefallen war.
Die Organisatorinnen und Organisatoren ziehen das Festival nun aber durch – am Samstag geht’s los. Digital natürlich – und ein wenig analog.
Kunst auf der Strasse
Das Festival nur online stattfinden zu lassen, sei für sie nicht infrage gekommen, sagt Fumetto-Geschäftsleiterin Christine Portmann. Zu sehr lebten Comics davon, dass man sie anfassen, ihn ihnen blättern könne.
Das Fumetto-Team habe schliesslich eine Lösung gefunden: «Wir können zwar keine Innenräume bespielen, aber wir können Kunst in die Aussenräume bringen. Dorthin, wo die Menschen sind.»
Das geschieht dieses Jahr, indem die Werke von Comic-Künstlerinnen und -Künstlern in Schaufenstern ausgestellt werden, die sich auf vier thematischen Touren entdecken lassen. Vor allem geschieht es aber durch «Gassetto» – eine Zusammenarbeit des Fumetto-Festivals mit der Luzerner «Gasseziitig».
Entstanden ist eine Art Take-Away-Ausstellung: eine Sammlung von neun Geschichten von Menschen, die am Rand der Gesellschaft leben. Jede von ihnen umgesetzt als Comic, in einem eigenen Zeichnungsstil.
Es sind Geschichten, die einen zum Schmunzeln bringen, aber auch nachdenklich machen.
«Gassetto» erzählt vom Kommen und Gehen vor der Luzerner Gassenküche. Vom Randständigen, der auf einer Baustelle einen Laubbläser findet und damit die ganze Stadt durcheinanderwirbelt.
Von der Lernenden, die ihren Laptop in der Tiefgarage an eine Steckdose anschliessen muss, um sich auf ihre Abschlussprüfung vorbereiten zu können, weil ihren suchtkranken Eltern der Strom abgestellt wurde.
Der Comic als ideale Erzählform
Den Comic-Geschichten lägen reale Erlebnisse von Randständigen zugrunde, sagt Roger Lütolf vom Verein Kirchliche Gassenarbeit, der die «Gasseziitig» herausgibt und daneben unter anderem auch die Gassenküche oder das Drug Checking in Luzern betreibt.
«Wir bekommen unzählige spannende, aber auch tragische Geschichten von Menschen mit, die auf der Gasse leben», sagt er. «Einen Teil dieser Geschichten können wir nun als Comic den Leuten erzählen – und diese Form eignet sich gut, denn die Geschichten lassen sich so weit verfremden, dass die Protagonisten sich nicht ausgestellt vorkommen.»
Zudem entspricht «Gassetto» bestens dem Anliegen der «Gasseziitig» – schliesslich wurde sie 1997 gegründet, um Menschen am Rande der Gesellschaft Gehör zu verschaffen.
Bis heute stammen die meisten Artikel von Randständigen. Und sie sind es auch, die die dreimal jährlich erscheinende Zeitung auf Luzerns Strassen und Plätzen verkaufen – vom Verkaufspreis von 2 Franken dürfen sie die Hälfte behalten.
Eine Zusammenarbeit zwischen dem «Fumetto» und der «Gasseziitig» war immer mal wieder ein Thema in den vergangenen Jahren; allerdings ging es dabei eher darum, Ausstellungen in Räumen des Vereins Kirchliche Gassenarbeit stattfinden zu lassen.
Die Idee einer gemeinsamen Comic-Zeitung dagegen entstand erst kürzlich. Gut möglich aber, dass die aktuelle Ausgabe der «Gassetto» nicht die letzte ist. Beide Seiten können sich gut weitere gemeinsame Projekte vorstellen.