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Digitale Assistenten Siri, Alexa, Google Home: Darum gehen IT-Konzerne auf Stimmenfang

In der Stimme steckt ein biometrischer Datenschatz. Technologie-Unternehmen schicken sich an, den Schatz zu heben.

«Voice Catchers» heisst das neue Buch des Medienforschers Joseph Turow, auf Deutsch übersetzt also etwa «Die Stimmenfänger». Darin zeigt der Wissenschaftler, wie in Zukunft die menschliche Stimme von Unternehmen genützt werden könnte.

IT-Konzerne wie Apple, Google, Amazon, Microsoft oder Samsung arbeiten seit längerem an Software und Geräten, die Sprache verstehen – und das mit gutem Grund: Mit Geräten sprechen ist oft praktischer als tippen. Joseph Turow ist überzeugt, dass wir in Zukunft viel öfter mit unserer Stimme steuern, statt dass wir uns an der Tastatur abmühen.

Bereits heute ist auf jedem Smartphone ein digitaler Assistent vorinstalliert, der Sprache versteht. Auch den Smart Speaker im Wohnzimmer kann man mündlich herumkommandieren.

Versteckte biometrische Daten

Die Stimme eines Menschen ist einzigartig, wie sein Gesicht. Ähnlich wie mit einem Foto kann man jemanden auch über seine Stimme identifizieren. «Automatische Gesichtserkennung beunruhigt die Menschen», sagt Jospeh Turow. Das Bewusstsein, dass man mit seiner Stimme ebenfalls biometrische Daten preisgibt, fehle hingegen völlig.

Bereits heute nutzen Call Center Stimmabdrücke als zusätzliches Sicherheitselement. Wissenschaftlerinnen wie Rita Singh sind überzeugt, dass man mit künstlicher Intelligenz in Zukunft aus der Stimme noch ganz andere physische Merkmal ableiten kann – Körpergrösse, Gewicht oder ethnische Zugehörigkeit. Ein israelisches Start-up arbeitet an der Erkennung von Krankheiten.

Selbst die Gemütslage soll sich aus der Stimme erkennen lassen. Wie zuverlässig das tatsächlich einmal funktionieren wird, lässt sich zurzeit nicht sagen.

Die Datenspur wird länger

Die Anbieter von Smart Speaker und digitalen Assistenten gelangen über sprachgesteuerte Geräte schon heute an einen Datenschatz: Bei der Nutzung zu Hause geben wir ständig Auskunft über unsere Gewohnheiten. Unsere Stimme verrät, wer mit dem Gerät spricht und in Zukunft vielleicht sogar etwas über unser Befinden.

Joseph Turow wollte wissen, wie die Zukunft aussieht. Weil die grossen IT-Unternehmen nicht mit ihm sprechen wollten, suchte er in Patentanträgen nach Hinweisen. Er stiess auf Erstaunliches:

  • Spricht ein Nutzer in Zukunft mit seinem Smart Speaker und muss dabei husten, so könnte ihm das Gerät ein Medikament gegen Erkältung empfehlen. (Patent Amazon)
  • Mit einem bestimmten Schlüsselwort («Siri», «Alexa») schaltet man heute einen digitalen Assistenten ein. In Zukunft könnten spezielle Ausdrücke wie «Ich mag ...» dazukommen. Das Gerät wacht dann auf, merkt sich den Kontext und nutzt die Information für Werbung. Sagt jemand im Familienkreis «Ich mag San Francisco», so wird die Person später mit billigen Flügen nach Kalifornien beworben.

Das ist im besten Fall Zukunftsmusik – im schlimmsten Fall ein Überwachungsalbtraum. Doch amerikanische Konzerne melden ständig für alle möglichen Ideen Patente an, betont Joseph Turow. Es sei deshalb ungewiss, ob diese Ideen tatsächlich jemals umgesetzt würden.

Der Wissenschaftler lehnt digitale Assistenten oder Smart Speaker nicht grundsätzlich ab. Solange alles in gesetzlichem Rahmen ablaufe, habe er kein Problem mit dieser Technologie. Problematisch findet er die Klassifizierung von Menschen aufgrund eines Stimmabdruckes. Er fordert deshalb griffige Gesetze, die Grenzen setzen.

SRF 4 News, 13.12.2021, 08.30 Uhr

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