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Ein Geländewagen an einer Gebirgskante, von unten schaut ihn ein Gamsbock/Steinbock an.
Legende: Emotionen verkaufen Autos. landrover.ch

Digitalisierung des Autos Am Autosalon ist die Autobranche nur zur Hälfte bei der Sache

In Genf werden keine Revolutionen gezeigt, weil die unsichtbar sind. Das Geschäft mit Daten ist auch hier die Zukunft.

Wie verdient man heute Geld mit Autos? Indem man Emotionen verkauft.

Und um diese zu präsentieren, ist der Autosalon da: PS-Protzer, edle Karrossen und heimelige Interieurs. Das Problem: Dieser Markt ist gesättigt.

Was also können die Autohersteller tun, um ihre Umsätze zu sichern? Eine Möglichkeit: Die Abfallprodukte vermarkten, die aktuelle Autos beim Herumfahren produzieren. Gemeint sind nicht Abgase, sondern der Datenberg, den die Fahrzeuge mit ihren Sensoren und Kameras generieren. Viele Daten. Und noch mehr Daten.

Die Digitalisierung des Autos bekommt man nicht in Genf, sondern an Messen wie der CES zu sehen, der Elektronikmesse in Las Vegas. Für die Autobranche hat sie mittlerweile einen ähnlichen Stellenwert erreicht wie der traditionsreiche Anlass in Genf. Dieser Wandel wirft Fragen auf.

Haben sich die klassischen Autobauer zweigeteilt?

«Ja», sagt Bernhard Gerster, Professor für Automobiltechnik an der Berner Fachhochschule Biel und Geschäftsführer des Dynamic Test Centers Vauffelin.

Denn wieso sollte ein Milliardenkonzern wie etwa VW das lukrative neue Geschäft mit den Daten zur Mobilität Internet Konzernen überlassen?

Die Hersteller machen das lieber selber. Sie gründen dafür neue Firmen unter neuen Namen. Die Volkswagen AG, zu der neben Audi, Skoda und Porsche noch 9 weitere Marken gehören, steigt mit «Moia» ins Geschäft ein mit digitalen Mobilitätslösungen und dem Handel von Daten. Der Gigant kann so aus seinen 12 Konzernmarken Daten einfliessen lassen für neue Geschäftsmodelle.

Die Autobauer setzen also ganz auf Mobilitäts- und Datendienstleistungen, gründen dafür aber neue Firmen, weil sie nicht ihre bewährten, mit positiven Emotionen besetzten Marken gefährden wollen, jene, die sie in Genf ins schönste Scheinwerferlicht rücken.

Wie können die Autohersteller mit Daten Geld verdienen?

Denkbar sind viele Szenarien, der Fantasie sind kaum Grenzen gesetzt. Bernhard Gerster macht ein Beispiel: Heute sind kantonale Strasseninspektoren unterwegs, die den Zustand der Strassen überprüfen und nach gefährlichen Schlaglöchern suchen, die repariert werden müssen.

In Zukunft könnten die Autos das gleich selber erledigen, in dem Sensoren in den Stossdämpfern und die Kameras ein Bild des Strassenzustandes erfassen. Die Autohersteller könnten diese Daten dann zum Beispiel einem Kanton verkaufen, der damit auf den Zentimeter genau weiss, wo Handlungsbedarf besteht.

Auch Werbetreibende dürften bereit sein, für Daten aus Autos Geld zu bezahlen: Ein Grossverteiler etwa dafür, dass autonome Autos eine Route einschlagen, die an einer seiner Filialen vorbeiführt und die Konkurrenz meidet.

Wie kann die Schweiz von der Digitalisierung profitieren?

Dass die Schweiz keine Auto-Nation ist, stimme nicht ganz, meint Bernhard Gerster. Natürlich rollten bei uns keine Wagen von Fertigungsbändern, aber die Zulieferer-Industrie sei nicht zu unterschätzen: Mit 9 Milliarden Franken Umsatz pro Jahr ist sie zwei Drittel so gross wie die Uhrenindustrie.

Vor allem Unternehmen, die in der Sensorik tätig sind, können vermehrt von der Digitalisierung der Autos profitieren. Bereits in aktuellen Fahrzeugen mit verschiedenen Assistenzsystemen ist eine Vielzahl an Sensoren verbaut und in zukünftigen Autos noch mehr – damit sie irgendwann ganz von alleine fahren können.

Auch für Software-Firmen tut sich ein lukrativer Markt auf, etwa in der Bilderkennung, die bei selbstfahrenden Autos eine zentrale Rolle spielt. Ein Schweizer Start-up mit Spezialgebiet Bilderkennung kann so plötzlich zu einem Zulieferer für die Autoindustrie werden.

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