Die grosse Wintersportnation Norwegen hat während der letzten Olympischen Spiele 2018 in Südkorea grosse Diskussionen wegen des Asthmamittels Salbutamol ausgelöst. Die Delegation hatte die ungeheure Menge von 6000 Asthma-Sprays mit im Gepäck – bei lediglich 121 Athletinnen und Athleten.
Schon zuvor war bekannt geworden, dass die norwegische Langlauf-Teamleitung allen Weltcup-Athleten den Gebrauch von Salbutamol in der erlaubten Menge empfohlen hatte. Auch gesunde Langläufer sollten es prophylaktisch einnehmen.
Die Kontroverse wird häufig nicht nur naturwissenschaftlich, sondern auch emotional ausgefochten.
Das Mittel erweitert die Atemwege, erleichtert die Sauerstoffaufnahme und kann leistungsfördernd wirken. Damit bewegen sich die Athletinnen und Athleten im Graubereich zum Doping. Das habe zu einer grossen Kontroverse im Langlauf-Zirkus geführt, sagt der Teamarzt der Schweizer Langläufer, Walter Kistler: «Die Kontroverse wird häufig nicht nur naturwissenschaftlich, sondern auch emotional ausgefochten.»
Kistler plädiert für eine objektive Betrachtungsweise: «Die Athleten, die ein Leiden haben, sollen richtig behandelt werden. Gleichzeitig soll das Mittel aber nicht als Doping missbraucht werden.» Denn es gebe Wintersportler, die tatsächlich unter Leistungsasthma leiden würden.
Spitzensportler entdecken Asthma-Spray
Ein prominenter Name ist der Schweizer Spitzenlangläufer Dario Cologna, der wegen seines Reizhustens im letzten Jahr sogar die Tour de Ski aufgeben musste. Kistler, der auch Cologna betreut, will nun neue Wege gehen, um vom Asthmaspray als einzigem probatem Mittel wegzukommen: «Es wurde damals vor allem für allergisches Asthma entwickelt, auch wenn wir es auch für Sportler-Asthma benutzen.» Dies allerdings mit mässigem Erfolg, so der Teamarzt der Schweizer Langläufer.
Landläufig erkenne man Asthma am Pfeifen beim Schnaufen. Beim Sportler-Asthma liege der Fall aber anders: «Hier steht vor allem das Husten im Vordergrund. Es stecken andere Entzündungszellen dahinter.»
Als Chefarzt der inneren Medizin am Spital Davos arbeitet Kistler unter anderem mit dem Schweizerischen Institut für Immunologie und Allergologie der Universität Zürich zusammen, um den Ursachen von Leistungsasthma auf den Grund zu gehen. Mit diesem Davoser Projekt wollen sie eine neue Therapie finden, mit der die Krankheit besser behandelt und die nicht als Doping missbraucht werden kann.
Zurzeit werden Athletinnen und Athleten aus diversen Wintersportarten für Tests engagiert. «Es geht vor allem um genetische Tests und Blutuntersuchungen.» Auch klinische Untersuchungen hinsichtlich der Lungenfunktion und dergleichen würden vorgenommen, schildert Kistler. «Nach spätestens einem Jahr werden wir einen Marschhalt machen und schauen, was die erfolgversprechendsten Wege sind.»
Geht es bald auch ohne Spray?
Möglicherweise könnten dann Therapien entwickelt werden, die ohne Medikamente auskommen, wie Kistler weiter sagt. Etwa Nahrungsergänzungsmittel oder Wärmetherapien. Das Forschungsteam ist diesbezüglich völlig offen. Es könne auch sein, dass jeder Athlet eine eigene Lösung benötigt.
Das Davoser Projekt reiht sich ein in mehrere andere Projekte. Unter anderem sucht auch das Internationale Olympische Komitee (IOC) eine Alternative zum Asthmaspray. Wird eine solche gefunden, könnte der Spray definitiv verboten werden und damit wären auch die Doping-Diskussionen beendet.