Zum Inhalt springen

Header

Audio
Ethiker stehen vor heiklen Fragen
Aus Rendez-vous vom 26.11.2018. Bild: Reuters
abspielen. Laufzeit 5 Minuten 50 Sekunden.
Inhalt

Erste genmanipulierte Babys? «Ein massiver Eingriff von weltweiter Bedeutung»

In China sollen die ersten genmanipulierten Babys geboren worden sein – falls die Meldung denn stimmt. In einem Youtube-Video berichtet ein Forscher über die Geburt der Zwillinge Lulu und Nana, die gegen HI-Viren resistent sein sollen. Möglich machts das junge Crispr/Cas9-Verfahren. Es wäre der weltweit erste Eingriff in die menschliche Keimbahn. Welche Folgen der Eingriff hat, ist unbekannt. Für Ethiker Markus Zimmermann wurde die rote Linie massiv überschritten.

Markus Zimmermann

Markus Zimmermann

Vizepräsident der nationalen Ethikkommission

Personen-Box aufklappen Personen-Box zuklappen

Zimmermann ist Professor für Sozialethik an der Universität Fribourg und Vizepräsident der schweizerischen nationalen Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin.

SRF News: Was ist Ihnen durch den Kopf gegangen, als Sie das Video sahen?

Markus Zimmermann: Ich dachte, das ist der reale Wahnsinn. Jemand möchte der Erste sein und jetzt hat er es geschafft. Es kommt ganz human, ganz empathisch, ganz sympathisch herüber, was der Mann zu sagen hat. Aber im Grunde genommen ist das ethisch unvertretbar und unglaublich, dass er das einfach gemacht hat und sich damit über weltweite Konventionen hinweggesetzt hat.

In der Schweiz und auch in anderen europäischen Ländern sind Genmanipulationen an menschlichen Embryonen verboten. Wird in China eine rote Linie überschritten?

Die rote Linie wird massiv überschritten. Es gibt ja auch Länder wie zum Beispiel England, in denen durchaus an menschlichen Embryonen geforscht und dieses Gene-Editing auch angewendet wird. Aber immer mit der klaren Zusage, dass die veränderten Embryonen anschliessend auch gleich wieder zerstört werden.

Kein Mensch weiss, was mit diesen Menschen geschehen wird.

Bislang hatte weltweit Einigkeit darüber geherrscht, dass solche Embryonen auf keinen Fall in einen Uterus überführt werden. Weil kein Mensch weiss, was mit diesen Menschen geschehen wird.

Der chinesische Forscher betont, es gehe ja nicht darum, die Augenfarbe zu verändern, sondern schwere Krankheiten auszumerzen. Gibt es einen Spielraum, in dem solche Genmanipulationen sinnvoll werden?

Sobald es technisch möglich ist, gewisse Krankheiten zu heilen, auch schon im ganz frühen Stadium, gibt es kein Argument dagegen. Dann ist es ethisch auch vertretbar. Das Problem ist nur, dass die Technik bis jetzt noch nicht so weit fortgeschritten ist. Ich kann noch nicht gewisse Teile der DNA verändern, ohne auch andere zu touchieren. Notabene weiss ich nicht, welche ich mitverändere. Das Risiko für die Menschen, die damit geboren werden, ist nicht abzuschätzen.

China ordnet Untersuchung an

Box aufklappen Box zuklappen

Laut der staatlichen Zeitung «China Daily» hatte der Forscher für seine Versuche keine Genehmigung bei den Behörden eingeholt. Eigentlich hätte eine Kommission der Stadt Shenzen das Projekt ethisch bewerten sollen, so die Zeitung weiter. Chinas Regierung hat nun eine Untersuchung angeordnet, das teilte die Gesundheitskommission mit. Der Fall müsse in Übereinstimmung mit den Gesetzen behandelt werden, die auf dem Grundsatz basieren, für die Gesundheit der Menschen Verantwortung zu tragen.

Also ist grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden?

Die Methode ist noch zu wenig ausgereift. Das zweite Argument, was den ganzen Wahnsinn noch klarer macht, ist: Falls diese Mädchen tatsächlich erwachsen werden und dann auch Kinder gebären, werden sie diese spezifische Veränderung allen Nachkommen weitergeben.

Ich kann noch nicht gewisse Teile der DNA verändern, ohne auch andere zu touchieren.

Es ist also ein massiver Eingriff in das menschliche Genom von weltweiter Bedeutung. Das ist auch zu diskutieren, bevor wir es überhaupt anwenden. Und selbst wenn Krankheiten geheilt werden könnten, ist das immer noch zu bedenken.

Diese Woche wird an einer internationalen Fachkonferenz in Hongkong diskutiert, für welche Fälle Genveränderungen sinnvoll sein könnten. Wie sollte diese Diskussion geführt werden?

Im Minimum müssen Nutzen und Risiken abgewogen und über den Stand der Technik informiert werden. Und dass ganz grundsätzlich eine breite gesellschaftliche Debatte ausgelöst wird über die Frage, wie wir damit umgehen wollen. Negativ formuliert muss verhindert werden, dass bestimmte Forschungsteams in irgendwelchen Labors in irgendwelchen Ländern der Welt darüber entscheiden, wie es mit der menschlichen Evolution weitergehen soll.

Das Gespräch führte Brigitte Kramer.

Jederzeit top informiert!
Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden.
Schliessen

Jederzeit top informiert!

Erhalten Sie alle News-Highlights direkt per Browser-Push und bleiben Sie immer auf dem Laufenden. Mehr

Push-Benachrichtigungen sind kurze Hinweise auf Ihrem Bildschirm mit den wichtigsten Nachrichten - unabhängig davon, ob srf.ch gerade geöffnet ist oder nicht. Klicken Sie auf einen der Hinweise, so gelangen Sie zum entsprechenden Artikel. Sie können diese Mitteilungen jederzeit wieder deaktivieren. Weniger

Sie haben diesen Hinweis zur Aktivierung von Browser-Push-Mitteilungen bereits mehrfach ausgeblendet. Wollen Sie diesen Hinweis permanent ausblenden oder in einigen Wochen nochmals daran erinnert werden?

Meistgelesene Artikel