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Erstes Kinder-Smartphone «Haben Kinder ein eigenes Handy, gibt’s zwangsläufig Konflikte»

Ein Schweizer Unternehmen macht Handys für die Kleinsten. Fachleute sind skeptisch.

Unter manch einem Weihnachtsbaum dürfte ein Smartphone liegen: Es gehört wohl zu den Geräten, die sich Kinder und Jugendliche am meisten wünschen – und zwar schon ab dem frühen Primarschulalter. Doch ab wann kann oder soll man dem Kind ein eigenes Handy schenken? Fachleute raten frühestens ab der 4. Klasse dazu, besser noch später.

Genau hier setzt das Schweizer Unternehmen Movigo an: Zusammen mit einem spanischen Software-Entwickler und einem französischen Handy-Hersteller hat Movigo Blabloo entwickelt, das angeblich «erste Smartphone der Kinder». Die Idee: Eltern können von ihrem eigenen Handy aus das Gerät der Kinder fernsteuern. Mitverfolgen, was das Kind tut, können Eltern allerdings nicht – der Bildschirm wird nicht 1:1 gespiegelt.

Bildschirm per Knopfdruck ausschalten

Wie Blabloo funktioniert, erklärt Movigo-Geschäftsführer Alessandro Palombo: «Beispielsweise können Sie damit dem Kind nur die Kamera freigeben oder nur den Zugriff auf spezielle Kinder-Apps erlauben.» Ebenso lässt sich über das Handy der Eltern der Bildschirm des Kinderhandys augenblicklich sperren.

Ganz generell wünschen wir uns keine Zukunft, in welcher Kinder über ein Smartphone gesteuert oder sogar überwacht werden.
Autor: Philippe Wampfler Medien-Erziehungsexperte

Nicht zuletzt deshalb hat Telekom-Anbieter Sunrise das Gerät seit kurzem im Sortiment und verkauft es als eine Art Heilsbringer: Durch die Fernsteuerung könnten «Spannungen zwischen Eltern und Kind im Zusammenhang mit einem übermässigen Gebrauch des Smartphones verhindert werden».

Konflikte sind vorprogrammiert

Für Eltern mag das vielversprechend klingen. Fachleute sind skeptisch. «Wenn ein Kind ein eigenes Handy hat, möchte es dieses auch nutzen – und zwar oft», sagt Joachim Zahn vom Verein «Zischtig.ch», der im Bereich der Elternberatung tätig ist. «Das schafft zwangläufig Konflikte.» Denn es gehe letztendlich immer darum, Grenzen zu ziehen, Regeln aufzustellen und dafür zu sorgen, dass diese eingehalten würden.

Die Erziehungsarbeit der Eltern kann Blabloo nicht ersetzen.
Autor: Alessandro Palombo Movigo

Auch der Lehrer und Medien-Erziehungsexperte Philippe Wampfler ist wenig begeistert. Einem Kind ein Gerät zu schenken und dann dessen Nutzung stark einzuschränken, hält er für wenig sinnvoll: «Ganz generell wünschen wir uns keine Zukunft, in welcher Kinder über ein Smartphone gesteuert oder sogar überwacht werden.»

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Immer wissen, wo das Kind ist

Wampfler spricht damit die in Blabloo integrierte Ortung an: Eltern können jederzeit prüfen, wo sich das Kind aufhält. Für Joachim Zahn eine entmündigende Funktion, da sie dem Kind Vertrauen entziehe. Die Botschaft müsse doch sein: «Du schaffst den Schulweg auch allein und bist den Gefahren gewachsen, die es dort gibt.» Zudem hätten Kinder auch das Recht, dass Eltern nicht jederzeit wissen, wo sie sich gerade aufhalten.

Alessandro Palombo von Movigo widerspricht nicht, hält aber fest: «Es wird immer nur der Standort des Smartphones ermittelt. Wenn das Kind das Handy also daheim lässt – und das sollte es ja beispielsweise beim Spielen draussen tun – dann wird sein Standort nicht geortet.» Und es sei selbstverständlich: «Die Erziehungsarbeit der Eltern kann Blabloo nicht ersetzen.»

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Espresso, 30.11.2020, 8.13 Uhr

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