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Gefahr Burn-out Ist die Work-Life-Balance ein Trugschluss?

Jeder vierte Schweizer fühlt sich gestresst und erschöpft bei der Arbeit. Was dagegen helfen kann.

Man könne sich darüber streiten, ob er ein Burn-out erlitten habe oder ob er haarscharf daran vorbeigeschlittert sei, sagt Carlo B.: «Ich war nicht mehr der, der ich eigentlich bin», so der Unternehmer. «Ich konnte nicht mehr richtig schlafen und vernachlässigte soziale Kontakte. Die Freude am Leben ging verloren.»

Er realisierte plötzlich, dass es nicht mehr so läuft, wie es sollte. «Es gab da diesen Moment: Vor lauter Erschöpfung liess ich einen Termin ausfallen. Ich wusste eigentlich, dass ich ihn habe, bin am Morgen aber einfach im Bett liegen geblieben.» Etwas habe ihm «Stopp!» gesagt.

Weit verbreitet

Wie Carlo B. ergeht es vielen anderen Schweizern. Laut einer Studie der Gesundheitsförderung Schweiz ist hierzulande jeder vierte Erwerbstätige gestresst und fühlt sich erschöpft. Zieht man in einer solchen Situation keine Konsequenzen, kann dies zu einer sogenannten Erschöpfungsdepression, einem Burn-out führen.

Carlo B. hat Konsequenzen gezogen, sich Hilfe geholt und etwas später den Job gekündigt. Mit einem Coach hat er das Erlebte aufgearbeitet, geschaut, was genau falsch gelaufen ist. Und er hat sich auch ganz grundsätzlich gefragt, was ihm im Leben wirklich wichtig ist.

Work-Life-Balance – ein trügerisches Wort

Ivan Blatter ist ein solcher Coach, er nennt sich Trainer für Zeit-Management. Er zeigt seinen Kunden, wie sie ihre Arbeitsbelastung in den Griff bekommen. Dabei warnt er vor dem in der Wirtschaft gern zitierten Begriff Work-Life-Balance – er sei ein Trugschluss.

Der Begriff trenne die Arbeit vom Leben, doch «die Arbeit ist doch ein integraler Bestandteil des Lebens. Sie nimmt auch unglaublich viel Zeit in Anspruch.» Wichtig sei vor allem, dass man seine Zeit gut einteile und gut plane.

Für Menschen in einer Führungsposition heisse das: Arbeit verteilen oder delegieren und Arbeitstage, langfristige Projekte, aber auch die Freizeit minutiös planen. «Was wir in den Kalender schreiben, ist verbindlicher für uns», sagt Blatter. Dazu gehöre auch, Zeiten einzuplanen, in denen man nicht erreichbar ist.

Vorgesetzte in der Pflicht

Natürlich können nicht alle Arbeitnehmenden ihre Zeit so frei einteilen wie ein Manager. Angestellte in tieferen Lohnklassen müssen zwar auch immer flexibler arbeiten, doch selber bestimmen können sie diese flexiblen Zeiten nicht. Was also gilt für sie?

Zeit-Manager Ivan Blatter sieht die Vorgesetzten in der Pflicht. «Jede Minute, die sie in eine gute Pause investieren, zahlt sich aus. Die Leute können sich danach besser konzentrieren.» Zudem gebe es einen einfachen Trick, wenn ein Unternehmer die Situation seiner Mitarbeiter verbessern wolle: «Einfach die Mitarbeiter fragen, was ihnen helfen würde.»

Der Unternehmer Carlo B. arbeitet mittlerweile in einem Start-up-Unternehmen. Ein Job, der eigentlich prädestiniert dafür ist, alles andere Wichtige aus dem Leben zu verdrängen. Der Unternehmer meint, er arbeite auch in der neuen Firma gerne etwas mehr, «weil mir die Arbeit Spass macht». Er trage mittlerweile aber besser Sorge zu sich.

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