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«Tierversuche sind nicht komplett zu ersetzen»
Aus Rendez-vous vom 20.06.2019. Bild: Keystone
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Grundlagenforschung an Tieren «Der Grundlagenforscher wird teilweise zu Tierversuchen genötigt»

Über 600'000 Tiere wurden 2017 in der Schweiz zu Versuchen verwendet. Zwölf Millionen waren es EU-weit und weltweit starben über 100 Millionen Tiere. Alternative Methoden müssten weiter gefördert werden, sagt der Forscher Winfried Neuhaus.

Winfried Neuhaus

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Winfried Neuhaus ist Präsident der Europäischen Vereinigung für Alternativen zu Tierversuchen (EUSAAT). Der Grundlagenforscher ist als Privatdozent am Austrian Institute of Technology (AIT) in Wien tätig und beschäftigt sich mit dem Themen Gesundheit und Bioressourcen sowie molekulare Diagnostik.

SRF News: Warum geht die Zahl der Tierversuche trotz neuer Methoden weltweit nicht zurück?

Winfried Neuhaus: Weil es in der Grundlagenwissenschaft immer mehr Tierversuche gibt, um neue Daten zu generieren. Mit den heutigen Technologien sind sehr spannende Tiermodelle möglich. Der Anstieg ist wohl auch damit zu erklären, dass wir die Grundlagenwissenschaft nicht so gut erreichen.

Geht es bei der Grundlagenforschung schlicht nicht ohne Tiere?

Davon gehen sehr viele Forscher aus. Tiere sind deutlich komplexer als einfache Zellkultursysteme. Man müsste aber viel mehr über Ersatzmethoden nachdenken, mit welchen man einzelne Aspekte durchaus beleuchten kann. Der Fokus sollte vor allem auf Humanzellkulturen und auf «in silico» – also in mathematischen und computerbasierten Berechnungsmodellen – liegen.

Warum sind die Grundlagenforscher so schwer zu erreichen?

Der Grundlagenforscher muss hochwertige Wissenschaft machen, um in seinem Bereich gut zu überleben. Denn diese kann man in hochwertigen Journalen publizieren, welche zudem häufig Tierversuche verlangen. Der Grundlagenforscher wird teilweise auch durch das System zu Tierversuchen genötigt, weil vielen die vereinfachten Zellkulturmodelle nicht genügen.

Der Grundlagenforscher wird teilweise auch durch das System zu Tierversuchen genötigt.
Autor: Winfried NeuhausPräsident der Europäischen Vereinigung für Alternativen zu Tierversuchen (EUSAAT)

Wie kann man das ändern?

Indem man viele Daten sammelt und den Forschern zeigt, dass sehr gute Wissenschaft nicht nur mit dem Tier gemacht werden kann. Es gibt viele hochrangige Publikationen, die sich nur auf Zellkulturen oder mathematische Berechnungen stützen. Man könnte etwa eine gute Kombination schaffen, um mit Vorarbeiten in der Zellkultur einiges an Tierversuchen zumindest zu reduzieren.

Mit guter Vorarbeit in Zellkulturen könnten Tierversuche zumindest reduzieren werden.
Autor: Winfried NeuhausPräsident der Europäischen Vereinigung für Alternativen zu Tierversuchen (EUSAAT)

Warum haben Tierversuche einen so hohen Stellenwert, obwohl sie bisher noch nie gegenüber dem Menschen validiert wurden?

Mit Tierversuchen können sehr komplexe Systeme nachgestellt werden. Gerade beim Immunsystem sind alternativen Methoden sehr schwierig. Ein zusätzliches Problem sind die Spezies-Unterschiede. Viele Krankheitsmodelle zeigen, dass die Maus einfach nicht der Mensch ist. Es nützt also im Endeffekt nichts, wenn man eine Maus beim Schlaganfall therapieren kann, aber die Mechanismen im Menschen anders sind. Da könnte man schon vorher Tests machen, um die Spezies-Unterschiede abzuklären.

Ganz ohne Tierversuche geht es also nicht?

Richtig. Momentan wird es ganz ohne Tierversuche nicht gehen. Weil es gesetzliche Vorgaben gibt und weil Modelle mit Zellkulturen und Ersatzmethoden noch nicht in der gewünschten Komplexität nachgestellt werden können. In den nächsten Jahren wird es sehr viele Versuche zu komplexen Organen und Organ-Interaktionssystemen geben. Aber so weit sind wir noch nicht, dass wir den Tierversuch komplett ersetzen können.

Noch können wir den Tierversuch nicht komplett ersetzen.
Autor: Winfried NeuhausPräsident der Europäischen Vereinigung für Alternativen zu Tierversuchen (EUSAAT)

Wenn ein Tierversuch, dann wie?

Sehr viel besser geplant. Vorher überlegen, was man sehen und machen will und abklären, ob man nicht einzelne Aspekte bereits mit anderem Methoden abdecken kann. Auf diese Weise kann man deutlich besser definierte Tierversuche durchführen.

Das Interview führte Simon Leu.

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8 Kommentare

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  • Kommentar von Beni Fuchs  (Beni Fuchs)
    Schon klar, sagt das der Grundlagenforscher. Der Pelzhändler wird auch sagen, dass der Mensch Nerzfarmen braucht, wie der Metzger Mastfarmen verlangt. Siddharta Gautama hat schon vor 2500 Jahren Grundlagenforschung betrieben, ohne einer Kreatur was anzutun, und hat mehr Weisheit und erlangt als es moderne Wissenschafter jemals werden. Ist alles realtiv und von persönlichen Interessen abhängig.
  • Kommentar von Franz NANNI  (igwena ndlovu)
    Mal sich selber gegenueber ehrlich sein... ich zB waere schon etwa seit 73 Jahren tot.. und waere durch mein langes Leben schon etliche Male gestorben.. ohne.. ohne Medikamente die nur durch Tierversuche eben als Medikamente zugelassen worden sind. Ich danke den Wissenschaftlern.. denn ich liebe das Leben.. mein Leben. An alle die Tierversuche ablehnen.. seid ganz ehrlich, lehnt alle auf Versuchen basierenden Behandlungen ab.. also ALLE Medikamente!
    1. Antwort von Beni Fuchs  (Beni Fuchs)
      Ja genau, Franz Nanni, das tu ich, wenn mein Körper nicht mehr fähig ist, ohne tägliche Medis zu überleben, dann fass ich lieber wieder einen neuen :-) Überleben nur dank täglichem Medikamentencocktail? Nein danke! Warum soll unser Ziel sein, 150 Jahre alt zu werden, wenn wir ab der Hälfte der Zeit nur noch in medizinischer Abhängikeit leben können? Sind wir dafür geboren worden, um zu konsumieren, uns zu vermehren und möglichst alt zu werden? Isn't there anything else, higher, more important?
  • Kommentar von Willi Meier  (wm)
    Ich habe selten so einen Unsinn gelesen. Es ist doch überhaupt nicht wahr, dass Forscher von Journalen zu Tierversuchen "genötigt" werden. Es ist dagegen richtig, dass zur Beantwortung mancher Fragen Tierversuche notwendig sind. Nach meinen Informationen stimmt es auch nicht, dass die Zahl der Tierversuche zunimmt. Das Gegenteil ist der Fall. Gegenüber früher haben Tierversuche, vor allem die schwer belastenden Tierversuche, markant abgenommen.
    1. Antwort von Winfried Neuhaus  (winnyee)
      Guten Abend, ich wollte anmerken, dass das Interview ausführlicher als die Textauszüge ist. Die Tierversuchszahlen sinken nicht merklich, obwohl sie im Teilbereich der regulatorisch vorgegebenen durchaus weniger werden, aber dafür in der Grundlagenforschung durchaus hoch bleiben. Die Diskussion über das wissenschaftliche System im biomedizinischen Bereich ist eine mit vielen Facetten und müsste sehr differenziert geführt werden.
    2. Antwort von Beni Fuchs  (Beni Fuchs)
      Ihre ersten zwei Sätze kann ich befürworten, den Rest eher nicht.