Es ist ein Missgeschick, ein Unfall: Ihr 11-jähriger Sohn habe in der Handarbeit (das Fach nennt sich heute «Textiles Gestalten») eine Nähmaschine an seinen Platz tragen wollen, erzählt die Mutter dem SRF-Konsumentenmagazin «Espresso». Dabei sei er aus Versehen mit seinen Weichteilen gegen eine Tischecke gestossen. Vor Schmerz habe er die Maschine fallen lassen.
«Haltung der Schule irritiert uns»
Für die zuständige Lehrerin und die Schulleitung sei von Anfang an klar gewesen: Die Maschine ist kaputt, sie muss ersetzt werden. Die Eltern sollen für den Schaden aufkommen.
Doch die fühlen sich überrumpelt. «Die Haltung der Schule irritiert uns doch sehr», sagt die Mutter. Doch weil sie befürchten, dass ihrem Sohn Nachteile erwachsen könnten, wenn sie sich wehren, übergeben sie den Fall ihrer Haftpflichtversicherung. Diese zahlt die rund 1600 Franken bei 200 Franken Selbstbehalt.
Für die Eltern ist der Fall an sich abgeschlossen. Doch es bleibt ein ungutes Gefühl und sie fragen sich, ob hier alles richtig gelaufen sei.
Und ihr Gefühl trügt sie nicht. Laut Gesetz haften die Eltern nämlich grundsätzlich nicht für Handlungen ihrer Kinder, wenn sie sich in der Schule befinden. «Die Eltern sind ja gar nicht dort», sagt Anwalt Walter Fellmann, Professor an der Universität Luzern und Spezialist in Sachen Haftungsrecht. Schulbehörden wie das Volksschulamt des Kantons Zürich bestätigen dies.
Rechtsexperte: «Im weitesten Sinn ein Unglücksfall»
In Anbetracht dessen hätte die betreffende Schule wohl den Nähmaschinen-Fall seriös prüfen und Fragen nach dem Verschulden und der Urteilsfähigkeit des Kindes genauer klären müssen.
Beim Verschulden spiele es einerseits eine Rolle, ob das Kind objektiv betrachtet etwas falsch gemacht habe, das ihm vorgeworfen werden könne, erklärt Haftungsrechtsexperte Fellmann. «Das ist im vorliegenden Fall fraglich, denn es handelt sich im weitesten Sinn um einen Unglücksfall.» Und andererseits gelte es, die subjektive Seite der Geschichte zu prüfen, also ob der Schaden absichtlich verursacht wurde oder nicht.
Ab neun Jahren gilt ein Kind als urteilsfähig – und ist haftbar
Ferner spielt auch das Alter des Kindes, das einen Schaden verursacht, eine Rolle, beziehungsweise dessen Urteilsfähigkeit: «Es gibt Urteile, die annehmen, dass ein Kind ab einem Alter von etwa neun Jahren in der Lage sei, eine Situation richtig einzuschätzen und sich auch entsprechend zu verhalten», sagt Walter Fellmann.
Ab etwa neun Jahren könnte ein Kind also theoretisch haftbar gemacht werden. Hat es fahrlässig gehandelt, etwas mutwillig kaputtgemacht, kann es auch zur Kasse gebeten werden.
Dabei gilt: Je älter ein Kind, desto teurer kann es werden. Wenn also ein 16-jähriger Jugendlicher eine Fassade vollsprayt, könnte es sein, dass er für einen grossen Teil des Schadens selbst aufkommen muss. Denn unter solchen Umständen könnte sich die Haftpflichtversicherung auch weigern, einfach so mir nichts, dir nichts alles zu bezahlen.
Haftungsrecht, Kinder und Schule – ein komplexer Themenkreis. Eines ist aber klar: Im Fall der kaputten Nähmaschine hat die betreffende Schule ihre Hausaufgaben nicht gemacht.