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Identitätsdiebstahl Rentner kämpft monatelang gegen gefälschte Bestellung

Unbekannte bestellen im Namen eines Mannes Waren. Dieser wird danach bis zur Betreibung unter Druck gesetzt.

Es war ein Albtraum, der über ein Jahr dauerte. Im Januar 2020 erhält ein 77-jähriger Mann aus dem Kanton Bern eine Rechnung von Paycard: 230 Franken für eine angebliche Bestellung bei der Import Parfumerie. Nur hat der Mann dort gar nichts bestellt. Überhaupt hat er noch nie online eingekauft.

Er teilt dies Paycard und der Import Parfumerie schriftlich und telefonisch mit. Doch diese schicken ihm weiter Rechnungen und Mahnungen. Bei der Import Parfumerie wird ihm noch gesagt, er könne eine Strafanzeige bei der Polizei machen. Die Einwände des Rentners überprüft aber offenbar niemand seriös.

So schützen Sie sich vor Identitätsdiebstahl

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Die Cybercrime-Spezialisten der Kantonspolizei Zürich raten grundsätzlich: «Werden persönliche Daten verlangt, soll man misstrauisch sein, und grundsätzlich sollen die eigenen Daten nur sparsam geteilt werden.»

Mit folgenden Massnahmen des Nationalen Zentrums für Cybersicherheit (NCSC) lässt sich das Risiko, Opfer von Identitätsdiebstahl zu werden, reduzieren:

  • Persönliche Daten in sozialen Netzwerken nur einem eingeschränkten Kreis zugänglich machen (z.B. Geburtsdatum, Fotos von privaten Feiern usw.).
  • Profile in sozialen Netzwerken auf «privat» schalten und nur Freundschaftsanfragen von Personen akzeptieren, die man persönlich kennt.
  • Wenn möglich nur bei renommierten Onlineshops einkaufen.
  • Onlineshops vor der ersten Nutzung prüfen (Impressum!) und allenfalls Rezensionen im Internet lesen. Ist eine Registrierung notwendig, nur jene Daten bekanntgeben, die unbedingt nötig sind (meistens gibt es keinen Grund, dass ein Betreiber eines Onlineshops Ihr Geburtsdatum kennen müsste). Das NCSC hat auf seiner Website einen Leitfaden zum Thema «Online kaufen und verkaufen» publiziert.
  • Für Einkäufe im Internet eine separate Kreditkarte mit möglichst kleinem Belastungslimit verwenden.
  • Verwendung anonymer E-Mail-Adressen für Käufe in Onlineshops
  • E-Mail-Adressen mit dem vollen Namen (z.B. hans.muster@hotmail.com) nur für Korrespondenz mit Freunden und Verwandten nutzen.
  • Browserdaten wie Cookies, Cache usw. regelmässig löschen. Wenn möglich den privaten Modus des Browsers oder sogar einen TOR-Browser verwenden.

Im November dann die Betreibung

Im Juni übergibt Paycard, welche die Rechnungen für die Unternehmen der Coop-Gruppe stellt, den Fall dem Inkassobüro Arvato Infoscore. Zum Rechnungsbetrag kommen Mahngebühren und Verzugszinsen. Die letzte Rechnung beläuft sich auf sagenhafte 711 Franken.

Im November betreibt Infoscore den 77-jährigen. Dieser macht Rechtsvorschlag, um das Betreibungsverfahren zu stoppen. Im Januar erhält er deshalb Post von den Anwälten von Infoscore: Wenn er 500 Franken zahle, sei die Sache erledigt. Der verzweifelte Rentner wendet sich ans SRF-Konsumentenmagazin «Espresso». Und endlich überprüfen die beteiligten Firmen die Bestellung ernsthaft.

Es war Identitätsdiebstahl

Nach wenigen Tagen entschuldigt sich der Chef der Import Parfumerie beim 77-jährigen persönlich am Telefon. Auch der Chef von Paycard schickt ihm eine Entschuldigung samt Erklärung: «Zum aktuellen Zeitpunkt gehen wir von Identitätsdiebstahl aus. Eine Person hat die Bestellung vermutlich unrechtmässig in Ihrem Namen getätigt und das Paket anschliessend an ihrer Adresse abgefangen.» Alles schön und gut. Aber, weshalb wurde das erst nach über einem Jahr seriös abgeklärt?

Man habe eben an die E-Mail-Adresse mit der Endung «.ru» geschrieben, die in der Bestellung angegeben war, um Informationen für eine Einstellung des Verfahrens zu erhalten, schreibt der Finanzdienstleistungskonzern Arvato. Zu Arvato gehört einerseits die MF Group in St. Gallen, welche als Dienstleisterin für Paycard die Rechnungen abwickelt. Andererseits auch das Inkassobüro Arvato Infoscore.

Eine russische E-Mail-Adresse für einen Berner, und dass die Mails unbeantwortet blieben, hat niemanden stutzig gemacht. Man habe vom Rentner auch per Post eine Ausweiskopie verlangt, um seine Identität zu überprüfen. Diese jedoch nie erhalten, rechtfertigt sich Arvato.

Massnahmen gegen Identitätsdiebstahl

Zu ihren Lehren aus dem Fall schreibt Arvato, dass die MF Group ihre Mitarbeitenden nochmals fürs Thema Identitätsdiebstahl sensibilisiere. Zudem werde der Kommunikationsprozess mit Kunden angepasst.

Das ist notwendig. Denn laut der Fachstelle Cybercrime-Police der Kantonspolizei Zürich ist Identitätsdiebstahl aktuell ein verbreitetes Phänomen. Die Kriminalprävention Schweiz appelliert an die Onlinehändler, «dass vor allem bei Neukunden die Zahlung auf Rechnung nicht angeboten werden sollte und es zudem nicht möglich sein sollte, in Online-Shops zwei verschiedene Adressen für Lieferung und Rechnung angeben zu können.»

Zum Schutz vor Identitätsdiebstahl raten Experten, persönliche Daten in sozialen Netzwerken und auch sonst äusserst sparsam zu veröffentlichen. Einen 100-prozentigen Schutz gibt es jedoch nicht.

Espresso, 17.03.2021, 08:13 Uhr

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