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Internet Netzneutralität – was ist das eigentlich?

Seit in den USA die Aufhebung der Netzneutralität auf dem Plan steht, ist das Thema wieder in aller Munde. Doch was steckt eigentlich hinter dem Begriff? Wer setzt sich mit welchen Argumenten für die Netzneutralität ein, wer ist dagegen? Und was bedeutet das alles für die Schweiz?

Was ist Netzneutralität?

Kurz gesagt bedeutet Netzneutralität, dass alle Daten im Internet gleich behandelt werden müssen – egal welchen Zweck sie haben, von wo sie kommen und wohin sie gehen. Das heisst, die Internet-Anbieter dürfen keinen Einfluss auf die Datenströme in ihren Netzen nehmen, sondern müssen sämtliche Daten im Rahmen ihrer Möglichkeiten so schnell als möglich weiterleiten.

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Argumente für und gegen die Netzneutralität (SRF 1)
05:06 min
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Dieser Grundsatz entspricht der eigentlichen Architektur des Internets nach dem «End-to-End-Prinzip»: Die Macht liegt an den Endpunkten des Netzes. Dazwischenliegende Knotenpunkte – Netzwerkrouter, die Datenpakete weiterleiten – sollen nur Inhalte von A nach B bringen und keine Daten bevorzugen.

Wird der Begriff Netzneutralität weniger streng ausgelegt, macht er zwischen verschiedenen Diensten einen Unterschied. So können bestimmte Daten schneller übertragen werden als andere, wenn eine Verzögerung dort besonders stören würde. Innerhalb derselben Kategorie müssen aber alle Daten gleichbehandelt werden.

Warum spricht man gerade jetzt darüber?

Vor wenigen Tagen hat Ajit Pai seinen Plan vorgestellt, die in den USA geltenden Regeln zur Netzneutralität abzuschaffen. Pai ist der Vorsitzende der US-Kommunikationsbehörde FCC und wurde von Präsident Donald Trump eingesetzt. Unter Pais Vorgänger Tom Wheeler war Breitband-Internet im Jahr 2015 als «Title II»-Versorgungseinrichtung eingestuft worden.

Damit bekam die FCC das Recht, die Anbieter strenger zu regulieren und ihnen bestimmte Praktiken zu untersagen. Darunter die Möglichkeit, gegen einen Aufpreis gewisse Datenpakete schneller als andere weiterzuleiteten.

Der FCC-Vorsitzende Ajit Pai
Legende: Der FCC-Vorsitzende Ajit Pai will US-Netzanbieter von zu viel Regulierung befreien. Reuters

Unter den neuen Regeln soll es den Netzbetreibern nicht mehr verboten sein, Inhalte oder Dienste zu blockieren, zu verlangsamen oder zu bevorzugen. Auch das sogenannte «Zero Rating» soll möglich werden, bei dem Endkunden der Verbrauch bestimmter Daten nicht in Rechnung gestellt wird. So können sie die Musik eines bestimmten Streaming-Dienstes hören, ohne sich über ihre Daten-Limite Gedanken machen zu müssen.

Pai will den Providern lediglich vorschreiben, über solche Praktiken transparent zu informieren. Was diese Transparenz genau bedeutet – ob es genügt, im Kleingedruckten der allgemeinen Geschäftsbedingungen darauf hinzuweisen – ist noch nicht bekannt.

Was sind die wichtigsten Argumente der Netzneutralität-Gegner?

Die Gegner wollen die Innovationskraft des Internets sichern und einen gesunden Konkurrenzkampf ermöglichen. Das ist für sie nur möglich, wenn der Staat so wenig wie möglich reguliert.

Vor allem befürchten sie, dass zu viel Regulierung die Netzbetreiber daran hindert, in den Ausbau ihrer Netze zu investieren. Ajit Pais wichtigstes Argument: Seit 2015 seien die Infrastruktur-Investitionen der grossen Netzbetreiber um 5,6 Prozent gefallen – also seit der Neuklassifizierung des Breitband-Internets als «Title II»-Versorgungseinrichtung.

Das Logo der Firma AT&T
Legende: Grosse Netzbetreiber wie AT&T gehören in den USA zu den wichtigsten Gegnern der Netzneutralität. Reuters

Die Netzbetreiber argumentieren, in einem gesunden Markt dürfe ein Anbieter verschiedene Preise für verschiedene Produkte und Dienste verlangen. Dazu sei die Freiheit nötig, Daten in ihren Netzen unterschiedlich behandeln zu können.

So entstünden den Anbietern neue Einnahmemöglichkeiten, den Ausbau ihrer Netze voranzutreiben. Und der sei durch die ständig wachsende Datenmenge im Internet dringend nötig, um den schnellen Transport wichtiger Daten weiterhin garantieren zu können.

Zudem machen die Gegner der Netzneutralität geltend, dass durch die strengere Regulierung des Intenrets als «Title II»-Versorgungseinrichtung eine Rechtsunsicherheit entstanden sei, dass die neuen Regeln zu unklar formuliert seien. Dazu wird gerne ein Paragraf zitiert, der als besonders vage gilt.

In Kürze:

Die Gegner der Netzneutralität sagen, das Internet habe auch vor dem Eingriff der FCC von 2015 gut funktioniert. Die neuen Regeln hätten nur zur Folge gehabt, dass weniger in den Ausbau der Netze und Dienstleistungen investiert worden sei. Könnten die Internet-Anbieter Geld verlangen, um bestimmte Datenströme zu priorisieren, entstünden ihnen neue Einnahmequellen. Davon profitierten letzten Endes die Kunden, denn im Gegenzug könnten die Anbieter ihre Preise senken. Auch neue Geschäftspraktiken wie das «Zero Rating» würden den Kunden zu Gute kommen.

Was sind die wichtigsten Argumente der Befürworter?

Die Befürworter wollen die Innovationskraft des Internets sichern und einen gesunden Konkurrenzkampf ermöglichen. Das kann für sie nur geschehen, wenn die Netzneutralität durch ein Mass an staatlicher Regulierung gesichert ist.

Vor allem befürchten sie, dass ohne Netzneutralität kleine Unternehmen im Internet gegenüber zahlungskräftigen Konzernen benachteiligt würden. Ein Startup-Unternehmen könne nicht mit einem etablierten Dienst konkurrieren, wenn dieser sich beim Netzbetreiber eine Überholspur im Internet kaufe und seine Inhalte schneller oder in besserer Qualität zum Kunden bringe. Damit würde Innovation gebremst und das Monopol einiger grossen Firmen zementiert.

Eine Plastikhand hält ein LAN-Kabel.
Legende: Sollen Netzbetreiber die Möglichkeit haben, Daten im Internet zu blockieren? (Symbolbild) Imago

Weil Provider immer öfter auch in eigene Dienste investieren, warnen die Befürworter davor, die Netzbetreiber könnten ihre eigenen Inhalte bevorzugt behandeln oder Angebote der Konkurrenz ganz aus ihrem Netz ausschliessen.

Dafür gab es in den USA vor der Einführung der Netzneutralität einige Beispiele: So blockierte Verizon auf seinen Smartphones die App Google Wallet – zugunsten eines eigenen Bezahldienstes. Auch Zensur sei so möglich, etwa wenn ein Anbieter kritische Inhalte über ihn ganz aus seinem Netz verbanne.

Im Gegensatz zu den Gegnern glauben die Befürworter der Netzneutralität nicht, dass eine stärkere Internetregulierung die Anbieter davon abhält, ihre Netze auszubauen. Sie verweisen dazu auf Aussagen der Netzbetreiber, die gegenüber ihren Anlegern weitere Investitionen in Aussicht gestellt hätten. Schliesslich hätten sich die Provider auch unter den geltenden Regeln nicht über mangelnde Erträge beklagen können.

Was heisst «Breitband»?

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In den USA bedeutet «Breitband-Internet» eine Datenübertragungsrate von 25 Mbit/s. Für die Internationale Fernmeldeunion ITU bedeutet «Breitband» aber eine Geschwindigkeit von 2 Mbit/s. Im Segment von 2 Mbit/s haben 90 Prozent der Amerikaner die Wahl zwischen drei oder mehr Providern. Zum Vergleich: Glasfaser-Internet erreicht bis zu 1000 Mbit/s.

Auch wenn die Provider neu die Möglickeite bekämen, durch den Verkauf von Vorzugsbehandlungen neue Geschäftsfelder zu öffenen, hätten sie doch keinen Grund, den Erlös daraus mittels Preissenkungen an die Kunden weiterzugeben. Dazu fehle es unter den Anbietern einfach an Konkurrenzdruck.

In Kürze:

Die Befürworter der Netzneutralität befürchten, ohne die Regulierung erhielten die Netzbetreiber zu viel Macht und könnten nach eigenem Willen entscheiden, welche Daten schnell, langsam oder überhaupt nicht durch ihre Netze fliessen. Damit würden sie über Gedeih und Verderb neuer Dienste und Ideen entscheiden. Das stünde dem eigentlichen Prinzip des Internets entgegen, seiner offenen und dezentralen Architektur, die seine innovative Kraft ausmache.

Alexander Sander, Geschäftsführer der gemeinnützigen Organisation «Digitale Gesellschaft» in Berlin, nimmt im Interview in der Wirtschafts-Sendung «Trend» von SRF detailliert Stellung zu den Argumenten der Befürworter der Netzneutralität.

Wie ist die Situation in der Schweiz?

Was die Netzneutralität angeht, unterscheidet sich die Situation in der Schweiz in einem Punkt grundlegend von der in den USA: Während Schweizer Kunden in der Regel zwischen mehreren Internet-Anbietern wählen können, besteht in den USA oft nur die Auswahl zwischen zwei Anbietern oder einem. Im Bereich des Breitband-Internets trifft das nach Angaben der FCC auf 87 Prozent der Bevölkerung zu.

Bundesrätin Doris Leuthard am Rednerpult im Parlament.
Legende: Für Bundesrätin Doris Leuthard gibt es in der Schweiz keine Anzeichen dafür, dass die Netzneutralität verletzt wird. Keystone

In der Schweiz ist die Netzneutralität nicht im Gesetz verankert. Internet-Anbieter wie Swisscom, UPC, Sunrise oder Salt haben sich aber in einem freiwilligen Kodex für ein offenes Internet ausgesprochen. Im Kodex verpflichten sie sich, keine Dienste oder Anwendungen zu sperren oder zu behindern. Ausgenommen ist allerdings das «Zero Rating». Die Provider können damit bestimmte Angebote wie Musik-Streaming vom Datenvolumen ihrer Kunden ausnehmen und gegenüber anderen Diensten privilegieren.

In seiner Botschaft zur Revision des Fernmeldegesetztes (FMG) erklärt der Bundesrat, dass er die Netzneutralität auch zukünftig nicht per Gesetz vorschreiben will. Es gebe in der Schweiz keine Anzeichen, dass die Netzneutralität verletzt werde, sagte dazu Bundesrätin Doris Leuthard. Die Anbieter sollen aber ihre Kunden darüber informieren müssen, wenn sie Daten nicht neutral behandeln.

Bisher hat sich die Schweizer Politik in Sachen Netzneutralität kaum von der Situation im Ausland beeinflussen lassen – weder von den USA noch von der Europäischen Union, wo strengere Regeln gelten als bei uns. Indirekt könnte die Entwicklung in den USA aber doch einen Einfluss haben. Nämlich wenn grosse Internet-Dienste wie Netflix oder Google in Zukunft auch von Schweizer Anbietern dieselbe Vorzugsbehandlung erwarten, die sie sich in den USA kaufen können.

Wie geht es jetzt weiter?

Am 14. Dezember werden die fünf Mitglieder der FCC über die Aufhebung Netzneutralität in den USA abstimmen. Dabei wird ein 3:2-Ergebnis entlang der Parteilinien erwartet, bei dem neben Ajit Pai auch die beiden anderen republikanischen Kommissionsmitglieder für die Vorschläge des FCC-Vorsitzenden stimmen.

In der Schweiz wird die oben erwähnte Revision des Fernmeldegesetzes darüber entscheiden, ob sich die Internet-Anbieter auch weiterhin nur im Rahmen eines freiwilligen Kodex‘ an bestimmte Regeln halten müssen. Als nächstes wird im ersten Quartal 2018 die Kommission für Verkehr und Fernmeldewesen des Nationalrates die Beratung der Vorlage aufnehmen.

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