Samba und Gaudi, Spott und verballhornte Politiker bis hin zu zweideutigen Reimen – all das macht den Karneval von Rio aus. Aber er wandelt sich gerade stark. Bei den Samba-Umzügen auf der Defilierstrecke sind Frauen nicht mehr nur als spärlich bekleidete Tänzerinnen aktiv.
Im Wettbewerb der Sambaschulen um die ersten Plätze lassen jetzt auch Frauen die Trommelschläger wirbeln, früher wurden sie als zu wenig kräftig dafür gehalten. Und im Strassenkarneval schwofen die Fasnächtler neuerdings auch zu den Klängen von Bands, die allein aus Musikerinnen bestehen.
Frauen fordern Respekt
Beim Karneval seien fehlender Respekt und Sicherheit für die Frauen immer noch ein Thema, klagt die Frauenaktivistin und Fasnächtlerin Julia Thome im Fernsehen. «Ein Nein ist ein Nein»: Dieser Satz ist auf ihren Oberarmen eintätowiert; und genau gleich nennt sich ihre Karnevals-Frauengruppe.
Es ist eine Anspielung auf die vielen Alltags- und Karnevalsmachos, die feiernde Frauen zu reinen Sexualobjekten herabstufen. Und den Karneval als Gelegenheit begreifen, das andere Geschlecht zu schnellem Sex zu nötigen. «Noch heute sehen es viele Männer als völlig normal an, Frauen derb anzumachen und selbst dann nicht davon abzulassen, wenn eine Karnevalsteilnehmerin ablehnt», sagt Julia.
Eine alte Karnevalstradition
Das Provozieren mit nackter Haut ist allerdings Teil des Karnevals. Dann stehen die klassischen brasilianischen Rollenbilder Kopf: Die Frau, die sich das Jahr über dem Mann unterzuordnen hat, darf ihre Reize ausspielen, sofern sie das mag. Von Freitag bis Aschermittwoch gibt sich die dunkle Haushalthilfe aus dem Armenviertel genüsslich der Illusion hin, mehr zu sein als ihre weisse Arbeitgeberin aus der Oberschicht.
Nach wie vor gibt es Frauen, die kein Problem damit haben, sich praktisch hüllenlos in Szene zu setzen. Luana zum Beispiel, die Vortänzerin einer Sambaschule. Sie decke den Intimbereich während ihres Auftritts mit dem kleinsten je gesehenen Karnevals-Feigenblatt ab. Mit einem gerade mal 14 Millimeter breiten Stoffstreifen, vertraut sie den Medien an.
Jede Frau so, wie sie will
Der Trend aber geht in die entgegensetzte, frauen-fairere Richtung. Die Sängerin Awa Bispo reklamiert das Recht, dass jede Frau mit Karnevalskostüm oder auch weniger davon so zu respektieren sei, wie sie sich wünsche.
Um Spass zu haben brauche man keine Miss mit Idealmassen zu sein, heisst es in ihrem Karnevalshit. «Frau sein, das reicht. Nehmt es endlich zur Kenntnis.»
Rendez-vous vom 21.2.20120, snep