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Kompostierbarer Kunststoff Plastikforscher Koopmans: «Wir müssen aufräumen»

Die Welt versinkt im Plastik. Rudolf Koopmans forscht an Alternativen. Zum Beispiel: Plastik aus Hühnerfedern.

In der ehemaligen Cardinal-Brauerei in Fribourg siedelt die Kantonsregierung seit einigen Jahren Techniker und Wissenschaftler an, die an Innovationen tüfteln. So entstand das PICC, das Plastic Innovations Competence Center. Der Makromolekular-Chemiker Rudolf Koopmans (61) ist Direktor und Antreiber. Mehr als 30 Jahre lang entwickelte er Kunststoff für die Industrie.

Nach Stationen in Antwerpen (BEL), Michigan (USA) und Horgen (CH), forscht er nun in Fribourg intensiv an Alternativen für das, was er lange selbst entwickelte: «Im Leben gibt es immer einen Moment, an dem man sich fragt, was man eigentlich wirklich beitragen kann für die Erde.»

Koopmans sitzt am Tisch, inmitten von Verpackungsmaterial, an dem er beispielhaft erklärt, warum es schädlich ist für die Umwelt.

Rätsel: Erkennen Sie den Bioplastik-Becher!

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Was gestern noch als umweltfreundlich galt, ist es heute vielleicht nicht mehr. Oft ist es für die Konsumenten schwierig herauszufinden, was die beste oder «am wenigsten schlechte» Lösung ist. Plastikforscher Rudolf Koopmans gibt Tipps.

400 Millionen Tonnen ölbasierter Kunststoff wird jährlich produziert, 40 Prozent davon ist Verpackungsmaterial. Doch erst knapp zwei Millionen Tonnen davon können als «biologisch» bezeichnet werden. Die Zahlen zeigen deutlich, erklärt Koopmans, dass es nichts bringt, «den Kunststoff grundsätzlich zu verteufeln». Man sei vorläufig auf ihn angewiesen.

Umdenken

Plastikforscher Koopmans sitzt auch in einer Arbeitsgruppe, die die EU bei der Frage berät, was gegen den drohenden Plastikkollaps zu tun sei. Er unterstützt harte Massnahmen wie ein Verbot von Wegwerfartikeln aus Kunststoff oder Bestrebungen, mehr Kunststoff zu trennen.

In Fribourg kreieren er und sein Team Vorschläge, wie die Verpackungen einfacher und umweltfreundlicher gestaltet werden können. Stolz zeigt er ein kleines Kunststoffgehäuse. Es ist ein Spender für Ersatzsüssstoff und das kleine Detail: Die Feder, die ein neues Stück Ersatzzucker freigibt ist aus demselben Material wie das Gehäuse, und nicht mehr aus Metall.

Zwar habe man schon in den 1980er und 90er Jahren an umweltfreundlicherem Verpackungsmaterial geforscht, gibt Rudolf Koopmans zu. Er verhehlt jedoch nicht, was damit geschah: «Spätestens, wenn jeweils der Ölpreis wieder in den Keller stürzte, schoben die Kunststoffmultis das Thema Ökologie schnell wieder in eine Schublade.»

«Natur weiss, wie es geht»

Eigentlich wäre es einfach, sagt der Forscher nachdenklich, man müsse nur die Natur als Vorbild nehmen. Das tun Koopmans und sein Team, indem sie intensiv an alternativen Kunstsoff-Materialien tüfteln.

Gefragt ist ein Rohstoff, der als Verpackungsmaterial genutzt und einfach wiederverwertet werden kann. Einer, der der Umwelt auch dann nur begrenzt schadet, wenn er später achtlos weggeschmissen wird. Gesucht ist also ein Kunststoff, der sich giftfrei und in kurzer Zeit zersetzt.

Ein Eiskratzer aus Hühnerfedern

Gesucht wurde ein Material, das möglichst wenig Raum und Energie braucht, um es zu gewinnen. Zudem muss es in grossen Mengen verfügbar sein. Die Wissenschaft weiss schon seit längerem, dass eiweisshaltige Materialien, die als Nebenprodukt («Abfallprodukt») anfallen, eine Lösung sein könnten. Zum Beispiel der Oliventrester, Zitronenschalen, Milchserum, Schafwolle oder: Hühnerfedern.

Und so bestellen sich die Fribourger Plastikforscher aus einem nahen Schlachthof das Hühnergefieder, das sonst in den Niederlanden verbrannt werden müsste. Die Federn werden gemahlen und in einem Reaktor mit Chemikalien behandelt.

Ein Pulver aus Keratin entsteht, das in der ehemaligen Cardinal-Brauerei zu einem Granulat verarbeitet wird. Daraus können in einer Spritzgussmaschine Plastikteile gegossen werden - zum Beispiel ein Eiskratzer für die Auto-Windschutzscheibe. Noch lässt sich dieser Eiskratzer viel zu leicht verbiegen. Doch die Forscher um Rudolf Koopmans sind zuversichtlich, schnell Fortschritte zu erzielen.

Schweiz keine Ausnahme

«Einstein» begleitete die erste Schweizer Littering-Studie und erfuhr: Auch in der Schweiz landet viel zu viel Plastik in der Umwelt.

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