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Konsumverzicht in Japan Der Mitsubishi fährt ja noch ein paar Jahre…

In Japan grassiert die Angst vor einer Rezession. Eine Mehrwertsteuererhöhung hat den Menschen die Kauflust verdorben.

Die Erhöhung der Mehrwertsteuer ist für Konsumenten nie eine erfreuliche Sache: Sie müssen für Waren und Dienstleistungen mehr Geld hinblättern. In Japan hat die jüngste Steuererhöhung aber noch weitreichendere Folgen. Seit letzten Oktober ist die Konsumfreude im Land derart getrübt, dass die drittgrösste Volkswirtschaft der Welt in eine Rezession abzurutschen droht.

So gaben viele Japaner das Geld für grössere Anschaffungen wie Autos noch vor dem Stichtag aus, berichtet Journalist Martin Fritz aus Tokio. «Seither halten sie sich mit grösseren Ausgaben zurück.»

Die Japaner sind extrem preissensibel.
Autor: Martin Fritz Journalist in Tokio

Im Vergleich der letzten beiden Quartale des vergangenen Jahres ging der private Verbrauch um fast drei Prozent zurück. «Das ist sehr viel», sagt Fritz. Denn die privaten Ausgaben machten fast zwei Drittel der gesamten Wirtschaft des Landes aus. Die Folge: Die Wirtschaft schrumpfte zum Jahresende stärker, als ohnehin befürchtet.

Börsenzahlen in Tokio.
Legende: Auf das Jahr hochgerechnet sei das Bruttoinlandsprodukt in den drei Monaten bis Ende Dezember im Vergleich zum Vorquartal um 6.3 Prozent gefallen, teilte die Regierung mit. Reuters

Neu ist die Delle im Konsumverhalten nicht. Schon 2014, bei der letzten Erhöhung der Mehrwertsteuer, zog eine neue Knauserigkeit durch Japan. Hat die Regierung von Premier Shinzo Abe nichts aus der Vergangenheit gelernt? «Er hat sich schlicht verschätzt», sagt der Journalist.

Zwar wurden Ausgleichsmassnahmen wie gebührenfreie Kindergärten oder Rabatte für diejenigen, die elektronisch bezahlen, lanciert. Zudem wurden Lebensmittel von der Steuer ausgenommen. Gefruchtet hat all das nicht. «Denn die Japaner sind extrem preissensibel», sagt Fritz. Dazu kommt: Die Reallöhne sind in den letzten Jahren gefallen, die Steuererhöhung drückte damit noch mehr aufs Portemonnaie.

Japanische Touristen in Zermatt
Legende: Ein äusserst preisbewusstes Volk: Das mag angesichts japanischer Touristen überraschen, die mit Vorliebe die Hochpreisinsel Schweiz besuchen. Reuters

Angesichts der drohenden Rezession dürfte Premier Abe die Staatsausgaben auf Pump nun deutlich erhöhen. Auch die Zinsen der Notenbank dürften tief bleiben. Das richtige Rezept, um Japans Wirtschaft zu befeuern? «Diskutabel», findet Fritz. Aber das sei nun einmal der Weg, den Japan seit den 1990ern eingeschlagen habe.

Als Reaktion auf den Konsumeinbruch wurde schon im Dezember ein Konjunkturpaket von umgerechnet 115 Milliarden Franken geschnürt. «Damit sollte ab Herbst auch der Konjunktur-Blues nach den Olympischen Spielen abgemildert werden.» Nun soll die Finanzspritze erst einmal den Konsum-Blues abmildern.

Olympia-Museum in Tokio
Legende: Im Sommer soll in Tokio das olympische Feuer brennen. In Zeiten des Coronavirus steht hinter Grossveranstaltungen aber ein dickes Fragezeichen. Keystone

Eine andere Möglichkeit, um den Konsum anzustossen: das traditionell abgeschirmte Inselreich nach aussen öffnen. Das sei unter Abe auch geschehen, berichtet Fritz: «Die Zahl der ausländischen Touristen etwa ist explodiert.»

Japan war noch nie so global und weltoffen wie heute. Die Krönung sollen die Olympischen Spiele im Sommer sein.
Autor: Martin Fritz Journalist in Tokio

Zudem hätten japanische Unternehmen noch nie so viele Firmen im Ausland aufgekauft wie 2019. «Und Abe hat Freihandelsverträge abgeschlossen und den Aussenhandel angekurbelt.» Schliesslich hat der erzkonservative Premier die Türen für Einwanderer geöffnet. «Japan war noch nie so global und weltoffen wie heute. Die Krönung sollen die Olympischen Spiele im Sommer sein.»

Erfolgsmodell «Abenomics»?

Insgesamt hält Fritz Abes Wirtschaftspolitik für einen Erfolg. Japans Wirtschaft sei durch die «Abenomics», eine Mischung aus Staatsausgaben und extrem lockerer Geldpolitik, wettbewerbsähiger geworden. «Dass nun am Ende der Abe-Zeit die Wirtschaft kippt, ist ein bisschen tragisch.»

Denn neben dem Fehltritt mit der Mehrwertsteuererhöhung wird Abes Bilanz von Faktoren getrübt, die er nicht selber steuern konnte: Naturkatastrophen, dem Handelstreit zwischen den USA und China und nun auch dem Coronavirus.

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