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Krebs und Corona – Doppelte Belastung für Betroffene
Aus Puls vom 20.04.2020.
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Krebs und Corona Von der Chemotherapie in die Selbstisolation

Eine Krebserkrankung belastet Betroffene und deren Familien. Das Coronavirus bringt eine weitere Verunsicherung hinzu.

Die Belastung für Krebskranke ist bereits ohne Corona enorm. Seit wenigen Wochen gehören sie nun von einem Tag auf den anderen auch noch einer Risiko- oder Hochrisikogruppe an. Die Verunsicherung ist auch Anna Zahno, Leiterin des Krebstelefons der schweizerischen Krebsliga aufgefallen. 25 Prozent mehr Anfragen verzeichnete sie im März im Vergleich zum Vorjahr.

Krebspatienten trauen sich nicht ins Spital

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Dass Patienten grosse Angst haben, hat Roger von Moos, Chefarzt Onkologie am Kantonsspital Graubünden in Chur, nicht nur bei seinen Patienten festgestellt. Ihm ist aufgefallen: Er hat viel weniger neue Patienten.

«Eine katastrophale Situation», sagt Roger von Moos. Patienten trauen sich nicht ins Spital und verlieren so wertvolle Wochen für eine Therapie. Durch ein nicht erschienen oder ein zu spätes escheinen, sei die Lebensbedrohung wesentlich höher als die Gefährdung durch eine Coronainfektion. Daher rät Roger von Moos nicht zuhause zu bleiben, sondern ins Spital zu gehen, damit die Diagnose frühzeitig gestellt werden kann und die Tumorerkrankung möglichst heilen kann.

Ob die Ängste der Krebspatienten vor einer Coronainfektion berechtigt sind, ist nach wie vor ungewiss. Es gibt zu wenig Daten. «Es ist noch relativ unklar, wer jetzt wirklich ein sehr hohes Risiko hat und wer fast ein normales Risiko», sagt Roger von Moos. Für ein genaueres Bild hat die schweizerische Arbeitsgruppe für klinische Krebsforschung jetzt eine Studie lanciert, in welcher alle Patienten mit einer Coronainfektion und einer Tumordiagnose erfassen werden.

Die Coronakrise stellt auch den Alltag der Familie Waeber auf den Kopf. Die jüngste Tochter der Familie, die 3.5-jährige Noemi leidet an einem Hirntumor und musste sich während den letzten 18 Monaten einer Chemotherapie unterziehen. Die Krankheit belastet nicht nur Noemi, sondern bringt die ganze Familie an ihre Grenzen «Die ganzen 18 Monate haben sich nur um Noemi gedreht», sagt die alleinerziehende Mutter Désirée Waeber. Schwester Kira, war zeitweise ein Schattenkind.

Nach einer Reha, die für die ganze Familie ein Stück Normalität ins Leben bringen sollte, ist sie praktisch nahtlos direkt in die totale Corona-Selbstisolation.

Hilfe: zu riskant

Zunächst hatte Désirée Waeber noch Unterstützung vom Kinderspitex und dem Roten Kreuz. «Als sich die Situation immer mehr zuspitzte, sagte ich diesen Institutionen, dass sie lieber nicht mehr kommen sollen. Da war mir das Risiko zu gross.»

Damit hat sich der Betreuungsaufwand für sie noch einmal um ein Vielfaches erhöht. Sie muss nun die gesamte pflegerische, und grosse Teile der medizinischen Versorgung ihrer Tochter übernehmen. Regelmässig muss sie der tumorkranken Noemi über eine Sonde Medikamente und Nährstoffe verabreichen, mehrmals am Tag inhalieren, mit ihr Logopädie-, Ergo- und Physiotherapieübungen machen. Das Programm reicht bis spät in die Nacht. Hinzu kommt der Unterricht zu Hause für die ältere Tochter. All diese Aufgaben allein zu leisten braucht viel Energie und belastet.

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Betreuen bis spät in die Nacht
Aus Puls vom 20.04.2020.
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Trotzdem kann Désirée Waeber der Situation auch Positives abgewinnen. «Ich finde es super schön, dass ich jetzt auch nochmal so viel Zeit mit Kira haben darf», sagt Désirée Waeber. «Unsere Beziehung ist viel besser geworden.»

Für Betroffene keine Lockerungen in Sicht

Die Zeit in Selbstisolation bringt die Familie wieder näher zusammen, trotz der Mehrbelastung für die Mutter: «Ich mache mir mehr Sorgen, wenn der Tag kommt, an dem die Kinder wieder in die Schule müssen und ich den Schutz nicht mehr zu 100 Prozent gewährleisten kann.»

Die Ängste sind für Anna Zahno, Leiterin des Krebstelefons der Krebsliga Schweiz, nachvollziehbar: «Für Patienten unter Krebstherapie und für die Angehörigen lockern sich die Massnahmen nicht wirklich.» Sie müssen sich weiter so gut wie möglich schützen.

Anna Zahno zeigt sich weniger optimistisch: «Wir stellen uns darauf ein, dass es noch länger dauern wird.» Familien wie die Waebers werden also noch etwas durchhalten müssen.

Puls, 20.04.2020, 21:05 Uhr

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