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Kurioses Hobby Schlösser knacken in der Freizeit

Onlineshops verkaufen Sets, mit denen man Schlösser gewaltfrei öffnen kann – ein Spielzeug oder Einbruchswerkzeug?

«Bereits als Kind habe ich viele Türen mit dem Dietrich geöffnet», sagt Urs Moser, ein durchsichtiges Schloss in der Hand. Der 54-Jährige sitzt auf einer Parkbank in Zürich und demonstriert sein Können. Schlösser ohne Schlüssel zu öffnen, ist eines seiner Hobbys. «Lockpicking» nennt sich diese Methode, bei der das Schloss nicht beschädigt werden darf.

Seit drei Jahren ist Urs Moser im Verein «SPASS», eine Abkürzung für «Schlösser Picken als Schweizer Sport.» Rund zwanzig Gleichgesinnte treffen sich jeweils, um sich an Tischen über Schlösser zu beugen und diese zu öffnen. Dabei benutzen sie Sets mit passendem Werkzeug.

Einfach online bestellen

Ein solches Set hat ein Hörer des SRF-Konsumentenmagazins «Espresso» online entdeckt. Es enthält ein durchsichtiges Vorhängeschloss zum Üben, Dietriche und Spanner. Mit dabei: Eine Anleitung, wie man Schlösser knacken kann. «Ich war fassungslos», so der Hörer, «ist das Einbruchswerkzeug?».

Der Zürcher Rechtsanwalt Martin Steiger kennt sich mit den sogenannten «Lockpicking»-Sets aus: «Natürlich könnten Verbrecher ein solches Set verwenden. Doch generell werde dieses als Geschicklichkeitsspiel eingesetzt und nicht von Kriminellen». Bei Einbrüchen und Diebstählen müsse es schnell gehen, so Martin Steiger weiter, Kriminelle würden ein Schloss brachial öffnen.

Lockpicking-Set
Legende: Ein solches «Übungsset» ist ganz einfach online erhältlich. SRF

Ein bedenkenloses Werkzeug

Auch Ramona Mock von der Kantonspolizei Bern bestätigt: «Bei Einbruch-Diebstählen finden wir in der Regel Spuren an Fenstern oder Türen vor.» Fälle von «Lockpicking» seien der Polizei im Kanton Bern nicht bekannt.

Sogar als bedenkenlos bezeichnet die Zürcher Kantonspolizei das Set. «Wir betrachten es als Werkzeug wie einen Hammer», so Mediensprecher Florian Frei. Auch einen Hammer könne man missbräuchlich verwenden. Das Set sei ein Instrument für jene, die ihren Schlüssel verloren hätten und das Schloss entriegeln möchten. Und: ein Instrument für Tüftler, die in ihrer Freizeit gerne Schlösser öffnen wie Urs Moser.

Spannende Liebesschlösser

«Mich interessiert es, ein Schloss zu verstehen, und den Mechanismus des Herstellers zu begreifen», antwortet Urs Moser auf die Frage nach seinem Hobby. Das Klicken, wenn sich ein Schloss öffne, sei ein bestätigendes Geräusch.

Jedes vierte Schloss kann Urs Moser im Alltag öffnen. Ein Schloss illegal zu picken, hat ihn aber noch nie gereizt. Eine Ausnahme seien Liebesschlösser an Brücken, erzählt Moser etwas später mit einem Augenzwinkern: «Das eine oder andere Schloss wäre schon spannend zum Öffnen.» Es sei aber klar, dass die Schlösser von jemandem befestigt wurden. Und deshalb auch dort bleiben.

Keine schwarzen Schafe

Es gehört zu den Regeln im Verein, dass nur die eigenen Schlösser gepickt werden dürfen. Hilft man doch jemanden, der seinen Fahrradschlüssel nicht mehr findet, muss man sich seiner guten Absichten vergewissern. «Es gibt keine schwarzen Schafe im Verein», garantiert Urs Moser. Das glaubt man ihm auch sofort.

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