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Legionellen – Der schwierige Kampf gegen die heimtückischen Keime
Aus Puls vom 05.02.2018.
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Legionellen auf dem Vormarsch Die Gefahr lauert im lauwarmen Wasser

Die Legionärskrankheit tritt in der Schweiz immer häufiger auf. Griffige Strategien zur Bekämpfung fehlen trotzdem.

Lauwarm und abgestanden, so hat es Legionella pneumophila am liebsten.

Die für den Menschen gefährlichste von rund 50 Legionellenarten bevorzugt 25 bis 45 Grad warmes, stehendes Wasser und ist fast überall zu finden: In der Natur, in Warmwassererzeugungs- und Verteilanlagen im privaten und öffentlichen Bereich. In Wassertanks, Boilern, Duschen, Wannenbädern, Totleitungen, Schwimmbädern, Spitälern. In Altenheimen, Klimaanlagen, Luftbefeuchtern oder Kühltürmen.

Ungefährlich, solange das verseuchte Wasser ruht. Hochriskant, sobald es als feinste Tröpfchen in die Luft und in unsere Lungen gelangt. Dann droht eine schwere Lungenentzündung: Die gefürchtete Legionärskrankheit oder Legionellose, die in 5 bis 10 Prozent aller Fälle tödlich verläuft.

Grafik mit einer Kurve, welche die Verdoppelung der Fälle zeigt.
Legende: 2017 wurden 490 Fälle von Legionärskrankheit gemeldet. puls

Senioren, Immungeschwächte und Raucher sind für eine Legionellose besonders anfällig. Und die gemeldeten (also schweren) Fälle nehmen in der Schweiz laufend zu: In den letzten zehn Jahren hat sich ihre Zahl mehr als verdoppelt. Die Dunkelziffer gilt als hoch.

Eine Trendwende ist nicht in Sicht, denn es fehlt an griffigen Mitteln zur Bekämpfung des komplexen Problems.

Regeln nur für öffentliche Betriebe

Zwar gibt es Richtwerte: Ab 1000 «Koloniebildenden Einheiten» pro Liter besteht ein Gesundheitsrisiko, bei mehr als 10'000 KBE/Liter gilt das Wasser als hoch kontaminiert und gefährlich. Darauf basierende Vorschriften für das Dusch- und Badewasser gibt es aber nur für öffentliche Betriebe wie Hotels, Bäder, Heime oder Spitäler.

Seit 2017 müssen sie ihr Wasser regelmässig auf Legionellen testen. Wie es um die Einhaltung der Vorgaben und die Qualität der Selbstkontrolle bestellt ist, wird von den Kantonschemikern geprüft – stichprobenmässig.

Wir kontrollieren risikobasiert und schauen primär die problematischen Fälle an, wo wir Meldungen vom Kantonsarzt bekommen und wo wirklich Krankheitsfälle vorliegen.
Autor: Peter Wenk Kantonschemiker BL

«Wir kontrollieren risikobasiert», sagt Peter Wenk, Kantonschemiker im Kanton Basel-Landschaft, «und schauen primär die problematischen Fälle an, wo wir Meldungen vom Kantonsarzt bekommen und wo wirklich Krankheitsfälle vorliegen.» Zusätzlich nimmt man Risikobetriebe wie Altenheime und Spitäler unter die Lupe.

Wie oft, nach welchem Muster und wer kontrolliert wird: Das ist den Kantonen überlassen. Eine flächendeckende Überwachung aller Einrichtungen wäre für sie aber weder finanziell noch personell zu stemmen.

Eine nationale Strategie existiert nicht. «Im Moment gibt es noch keine Konzepte in der Schweiz. Da sind wir dran, das zu entwickeln», ergänzt Peter Wenk, der auch dem Verband der Kantonschemiker vorsteht.

Private sind sich selber überlassen

Während für öffentliche Einrichtungen verbindliche Vorschriften bestehen, basiert der Schutz vor Legionellen in Privathaushalten auf reiner Eigeninitiative. Ein Pendant zur obligatorischen Heizungskontrolle gibt es für Wasseranlagen nicht. Aus klaren Grenzwerten werden reine Empfehlungen.

Wer sich nicht selber zum Thema Legionellen informiert, wird somit keine Vorbeugungsmassnahmen treffen und riskiert eine Erkrankung.

Ämterübergreifend arbeiten das Bundesamt für Gesundheit (BAG), das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) sowie Experten anderer Berufsgruppen daran, das Legionellen-Problem in der Schweiz in den Griff zu bekommen.

Die Einführung weiterer gesetzlicher Richtlinien für andere Infektionsquellen wie Klima- oder Kälteanlagen steht derzeit jedoch noch nicht zur Diskussion.

Mark Stauber, Leiter des Fachbereichs Lebensmittelhygiene im BLV, erklärt: «Eine erste Massnahme wurde getroffen, indem man Höchstwerte für Dusch- und Badewasser festgelegt hat. Ob man jetzt noch bei anderen Quellen rechtliche Vorgaben machen muss, ist ein politischer Entscheid.» Es müsse sich erst einmal zeigen, ob die seit Mai 2017 geltenden Höchstwerte Wirkung zeigen.

Legionärskrankheit

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1976 erkrankten 181 Delegierte der «American Legion Convention» in Philadelphia (USA) aus zunächst unerfindlichen Gründen an einer atypischen Lungenentzündung. 29 von ihnen starben. Monate später war die Ursache endlich gefunden: Legionella pneumophila. Als Infektionsherd der «Legionärskrankheit» wurde die Klimaanlage des Hotels ausgemacht, das sich die betagten Veteranen für ihr Treffen ausgesucht hatten.

Die Legionärskrankheit macht sich typischerweise nach zwei bis zehn Tagen mit Fieber, Husten, Appetitverlust, Muskel- und Kopfschmerzen bemerkbar. Die anschliessende leichte bis schwere Lungenentzündung kann trotz Antibiotika tödlich enden.

Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist grundsätzlich möglich, aber äusserst selten.

Wie komplex die Legionellen-Problematik ist, zeigt sich beim Thema Niederenergieanlagen und Wärmepumpen. Die werden mit 45 bis 55 Grad Wassertemperatur just in jenem Temperaturbereich betrieben, in dem sich Legionellen besonders wohl fühlen.

Zwar klimafreundlich und energieeffizient, benötigen die Anlagen zum Schutz vor Legionellen zusätzliche Vorkehrungen, um das Wasser periodisch auf sichere 60 Grad aufheizen zu können – im privaten Bereich ein «Kann», kein «Muss». Wer umweltbewusst ist und in seinem Haus besonders wenig Energie verbrauchen will, vergrössert damit also unter Umständen auch das Legionellenrisiko.

Empfehlungen zum Umgang mit Legionellen nach dem neuesten Stand der Wissenschaft sind beim BAG und BLV in Arbeit und sollen im Sommer publiziert werden.

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