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Ein Hygrometer steht auf einem Tisch.
Legende: Eine Luftfeuchtigkeit von 60 Prozent ist auf Dauer alles andere als «ideal». imago

Luftbefeuchter Der Hype ums perfekte Raumklima

Der Absatz von Luftbefeuchtern ist hoch. Doch: Der Effekt der Luftfeuchtigkeit auf die Gesundheit wird überschätzt.

  • Der Grossteil aller Häuser mit Baujahr ab 1960 weist laut Gebäudetechnik-Ingenieuren ganzjährig eine ausreichende Luftfeuchtigkeit auf.
  • Luftbefeuchter sind deshalb oft überflüssig – jede vierte Schweizer Wohnung ist laut Bundesamt für Gesundheit ohnehin zu feucht.
  • Allergologen warnen sogar vor Luftbefeuchtern: Zu feuchte Luft in Wohnräumen kann gesundheitlich schädlicher sein als zu trockene.

Verdunster, Verdampfer, Zerstäuber, Vernebler: Die Heizsaison ist zugleich die Hochsaison der Luftbefeuchter. Die beheizten Räume suggerieren ein Gefühl der Trockenheit – Hals und Augen brennen und kratzen, die Haut spannt und juckt. Was liegt näher, als der Luft zu mehr angenehmer Feuchtigkeit zu verhelfen? Manche Hersteller gehen noch weiter und werben: «Zu trockene Luft macht krank!» oder «Trockene Luft stört Ihren Schlaf und kann Allergien, Asthma und andere Atemwegsprobleme verursachen.»

Gesundheitsrisiko Schimmel

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«Dauernder Husten ist ein Warnsignal», warnt Allergologe Günter Menz. Doch Schimmel ist in feuchten Räumen nicht das einzige Gesundheitsrisiko .

Richtig ist, dass feuchte Schleimhäute Viren besser abwehren können – viel trinken ist ratsam. Und tatsächlich profitieren Menschen, die bereits an Asthma oder Hautkrankheiten wie Neurodermitis erkrankt sind, von einer höheren Luftfeuchtigkeit. Auslöser für diese Erkrankungen ist die trockene Luft jedoch nicht, genauso wenig wie für Allergien.

Der Mensch ist bestens gegen Trockenheit gewappnet

Dennoch: Hygrometer weisen erst eine relativ hohe Luftfeuchtigkeit von 40 bis 70 Prozent als optimal aus. Auch derlei Empfehlungen in Broschüren zum Thema halten sich hartnäckig, selbst wenn es bislang keine Studie gibt, die einen gesundheitlichen Idealwert ermitteln konnte. Bezüglich Erkältungen konnte bislang kein Idealwert medizinisch belegt werden.

Tipps für ein gutes Raumklima

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  • Zimmertemperatur senken.
  • Kerzen, Cheminee, Zigarettenrauch, Staub oder andere Abgase im Raum meiden.
  • Nur kurz mit Durchzug lüften – im Winter strömt sonst sehr trockene Luft ein.

Auch dafür, dass Menschen in den Bergen, wo die Luft einiges trockener ist, häufiger erkältet sind, gibt es keine medizinischen Belege. Denn der Atemtrakt eines gesunden Menschen ist auf eine schwankende Luftfeuchtigkeit bestens vorbereitet, besonders, wenn er ausreichend trinkt.

Befeuchten erst unter 30 Prozent Luftfeuchtigkeit

Belastend wird es erst dann, wenn Stressoren hinzukommen: Warme Luft in überheizten Räumen beispielsweise erweckt eher den Anschein, trocken zu sein. Auch feinstaubbelastete Luft wirkt trockener. Erfahrungen zeigen: Menschen, die in Reinräumen mit staubfreier Luft arbeiten, fühlen sich auch noch bei nur acht Prozent Luftfeuchtigkeit wohl. Das BAG empfiehlt, Räume mittels Hygrometer zu kontrollieren und ab einer Luftfeuchtigkeit von unter 30 Prozent bei 20 bis 21 Grad Raumtemperatur zu befeuchten.

Den Luftbefeuchter könnte sich der Grossteil der Menschen, die in Häusern ab Baujahr 1960 leben, wahrscheinlich sparen – insbesondere auch im Kinderzimmer. 98 Prozent dieser Wohnräume erfüllen laut Schätzungen von Gebäudetechnik-Ingenieuren der Hochschule Luzern das ganze Jahr hindurch die vom BAG empfohlenen 30 Prozent Luftfeuchtigkeit. In der Schweiz ist es nach Angaben des BAG gar in jeder vierten Wohnung zu feucht.

«Die gesundheitlichen Risiken von Luftbefeuchtern können dann grösser sein als ihr Nutzen», warnt denn auch BAG-Fachmann Roger Waeber. Wer seine Wohnung regelmässig bedampft und die Luftfeuchtigkeit dauerhaft auf 55 Prozent oder mehr erhöht, schafft ideale Lebensbedingungen für Hausstaubmilben.

Etwa zwölf Prozent der Bevölkerung reagieren auf Hausstaubmilben.
Autor: Peter Schmid Allergologe

Menschen, die auf den Kot der Milben reagieren, haben also plötzlich mit den Symptomen einer Milbenallergie zu kämpfen – und das sind gar nicht so wenige: «Etwa zwölf Prozent der Bevölkerung sind betroffen», sagt Peter Schmid, Allergologe am Universitätsspital Zürich. «Die Hausstaubmilben können verantwortlich sein für verstopfte Nasen am Morgen oder Anstrengungsasthma» – also mitunter genau die Symptome, die der trockenen Luft zugeschrieben werden.

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Hinzu kommt das Risiko von Schimmel, der umso besser gedeiht, je feuchter die Raumluft ist. Ist der Schimmelbefall entsprechend hoch, sind Schleimhautreizungen, Atemwegsbeschwerden und -infekte oder gar Allergien oder Asthma möglich – auch sie werden subjektiv oft einer zu trockenen Luft zugeschoben. «So können häufige und hartnäckige Erkältungen gerade bei Kindern typische Anzeichen für eine zu feuchte Wohnung sein», warnt das BAG 2016 in einem Merkblatt zu Luftbefeuchtern.

Lieber Nasensprays als Luftbefeuchter

Leiden Personen unter bestimmten Vorerkrankungen wie Cystischer Fibrose, chronischem Asthma oder ist ihr Immunsystem wie bei Transplantations-, AIDS- und Krebspatienten geschwächt, sind Schimmelpilze für die Betroffenen hoch riskant.

Keimschleudern sind bei laxer Reinigung und Handhabung nicht zuletzt die Zerstäuber und Vernebler selbst. Sie blasen dann Bakterien, Schimmelpilze und Amöben in die Luft, die für Allergiker nicht unproblematisch sind. Wer also kann, vertraut auf die Anpassungsfähigkeit seiner Schleimhäute – und investiert das Geld nach einer Überprüfung der tatsächlichen Luftfeuchtigkeit in der Wohnung gegebenenfalls besser in lokale Befeuchter wie Meersalz-Nasensprays statt Raumbefeuchter.

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