In Kenia versuchen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Nördliche Breitmaulnashorn vor dem Aussterben zu retten. Es leben gerade noch zwei Weibchen in einem Reservat im ostafrikanischen Land. Grund dafür: vor allem die Wilderei. Gemäss Angaben von WWF wurden die Tiere vor allem aufgrund ihrer Hörner zu Gejagten. Durch die Zivilisation schwand zudem ihr Lebensraum.
Die nun zur Rettung der Tiere angewandte Fortpflanzungsprozedur ist einigermassen speziell: Den Weibchen werden Eizellen entnommen, befruchtet und einer anderen Nashornart eingesetzt.
Thomas Hildebrandt vom Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung erklärt, weshalb es so eminent wichtig ist, diese Art zu erhalten: «Man muss sich vor Augen halten, dass das Nördliche Breitmaulnashorn eine Schlüsseltierart ist, die den direkten oder indirekten Lebensraum für hunderte andere Arten liefert.» Es verteilt mit seinem Kot Samen, baut kleine Pfade für Antilopen, dient als Aussichtsplattform für Vögel und scheucht Insekten auf.
Die Tiere, die heute davon profitieren, werden laut Hildebrandt ohne das Breitmaulnashorn entweder selbst versterben oder migrieren. «Es ist sehr unklug, diese sehr komplexen Ökosysteme durch die Entnahme einer Schlüsseltierart so zu schädigen, dass alles aus dem Gleichgewicht kommt.»
Südliches Weibchen als Leihmutter
Doch weshalb diese aufwendige Prozedur mit der Eizellenentnahme, der künstlichen Befruchtung und dem Einsetzen von Embryonen bei einer Leihmutter, nicht bei einem Nördlichen, sondern bei einem Südlichen Breitmaulnashorn-Weibchen? «Es gibt leider nur noch zwei Nördliche Breitmaulnashorn-Weibchen, beide sind unfruchtbar und nicht in der Lage, selber in einer Schwangerschaft auszutragen», so Hildebrandt.
«Das Südliche Breitmaulnashorn ist eine Unterart und es gab schon einmal einen Hybrid, da war der Vater ein südlicher Bulle und das Weibchen war ein nördliches», sagt der Forscher. «Diese Hybridisierung gibt uns Hoffnung, dass das Experiment mit der Leihmutter gut klappen wird.»
Wir müssen mit dem erfahrensten Team arbeiten, denn diese Patienten haben einen unschätzbaren Wert.
Man müsse mit dem erfahrensten Team arbeiten. «Denn diese Patienten haben einen unschätzbaren Wert.» Hildebrandt befindet sich derzeit in Kenia. Sein Team ist nach eigener Aussage das Einzige weltweit, das dieses Vorgehen routinemässig durchführt. «Wir operieren an den Eierstöcken ganz dicht an zwei riesigen Blutgefässen. Die haben den Durchmesser von einem Kinderarm. Und wenn Sie dort die Nadel falsch setzen, kann es leicht zu inneren Blutungen kommen und unser Patient verstirbt.»
Die so entnommenen Eizellen werden nach Europa gebracht, dort werden sie befruchtet. Nach acht Tagen werden die Embryonen im flüssigen Stickstoff bei minus 196 Grad eingefroren. «In dieser Form sind sie mehrere 100 Jahre lagerbar», so Hildebrandt. Trotz der guten Erfolgsaussichten bereitet ihm etwas Kopfschmerzen: das soziale Wissen der Tiere. «Wir können nicht konservieren, was die beiden letzten Nashörner wissen.»
Nashorn über ein Jahr lang trächtig
Man müsse davon ausgehen, dass sie eine eigene Sprache besitzen, die mit dem Sterben dieser beiden letzten Tiere verloren gehen würde. «Wir wollen ein kompetentes Nördliches Breitmaulnashorn-Baby erzeugen, das noch in der Lage ist, dieses Wissen weiterzugeben.»
Wann wird es das Licht der Welt erblicken? «Wir versuchen alles, damit das so schnell wie möglich passiert. Es gibt eine Zeitbegrenzung, das sind die 16 Monate Trächtigkeitsdauer. Aber wir hoffen, dass wir das in den nächsten zwei Jahren umsetzen können.»