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Nachzahlung bei No-Show-Flügen «Den letzten Flug kann man getrost verfallen lassen»

Streit mit Passagier um Nachzahlung: Lufthansa knickt ein. Nun raten Experten: Nachzahlungen «einfach mal nicht zahlen».

Die No-Show-Regel: Fluggesellschaften verkaufen Flüge mit Zwischenstopps zu einem viel günstigeren Tarif als Direktflüge. Die Bedingung: Es müssen alle Flüge in der gebuchten Reihenfolge geflogen werden. Lässt man einen Flug aus, verfallen die restlichen Buchungen. Verzichtet man auf die letzte Teilstrecke, muss mit einer Nachzahlungsforderung gerechnet werden.

Die Vorgeschichte: Ein deutscher Passagier hat sich geweigert, diese hohe Nachzahlung zu leisten. Die Lufthansa hat den Passagier verklagt und ist vor Gericht abgeblitzt. Der Grund: Für das Gericht ist es nicht nachvollziehbar, wie die Rechnung für die Nachzahlung zustande gekommen ist. Die Lufthansa hat dieses Urteil weitergezogen. Letzte Woche hat die Lufthansa die Berufung zurückgezogen. Das bedeutet: Das erstinstanzliche Urteil wird rechtskräftig, der Passagier muss die Nachzahlung nicht leisten.

Der Rückzug: «Ich gehe davon aus, die Lufthansa hat eine Risikoanalyse gemacht», sagt Vito Roberto, Professor für Privatrecht an der Universität St. Gallen. Er beobachtet die Entwicklungen zur No-Show-Regelung seit Jahren. Hätte ein Obergericht das erstinstanzliche Urteil bestätigt, hätte die Lufthansa ihr Preismodell überdenken müssen, sagt Roberto. «Dieses Risiko wollte die Lufthansa offensichtlich nicht eingehen.» Anders die Argumentation der Lufthansa. «Die Berechnung ist vollkommen korrekt.» Dass man das Urteil nun doch nicht weiterziehe, sei «keineswegs ein Eingeständnis» heisst es in einer Stellungnahme. Es handle sich um einen Einzelfall.

Was heisst dieses Urteil für Konsumenten?

In der Schweiz ändert sich vorläufig nichts. Die Lufthansa-Tochter Swiss schreibt «Espresso» in einer Stellungnahme: «An der Situation hat sich nichts geändert und eine Anpassung der AGB ist nicht geplant.» Vito Roberto sagt aber, er sei fest davon überzeugt, «dass die Swiss so einen Restbetrag in der Schweiz nie einfordern würde». Das Risiko, vor Gericht abzublitzen sei viel zu hoch, ist Roberto überzeugt. Aus diesem Grund sagt er: «Dass man den letzten Flug verfallen lässt, das kann man getrost riskieren».

Wird sich in Zukunft etwas an der No-Show-Regelung ändern?

Vito Roberto ist sich sicher, dass die bestehenden No-Show-Regeln vor Gericht nicht standhalten würden. Allerdings bräuchte es dazu erst einmal einen klaren Gerichtsentscheid. Diesen könnte es aber schon bald geben. Der Stiftung für Konsumentenschutz SKS ist diese Regel schon lange ein Dorn im Auge. Laut Cécile Thomi, Leiterin Recht bei der Stiftung für Konsumentenschutz, dürfte es in Belgien bald ein wegweisendes Urteil geben. Die belgische Konsumentenschutzorganisation hat Air France-KLM wegen der No-Show-Regelung verklagt. Ein Urteil wird bis Ende Jahr erwartet. Je nach Ausgang dieses Prozesses in Belgien «ist nicht ausgeschlossen, dass wir auch in der Schweiz den Klageweg beschreiten», sagt Thomi.

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