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Nasa-Mission «Unglaublicher Erfolg, derart nahe an die Sonne zu gelangen»

Zum ersten Mal ist es einer Raumsonde gelungen, durch die äussere Atmosphäre der Sonne zu fliegen, durch die sogenannte Korona. Die Sonde war 2018 gestartet, sie ist etwa so gross wie ein Kleinwagen und kann mehr Hitze und Strahlung aushalten als je ein Flugkörper zuvor. Der Schweizer Thomas Zurbuchen ist Wissenschaftsdirektor bei der Nasa und erklärt im Interview die Bedeutung dieser Mission.

Thomas Zurbuchen

Wissenschaftsdirektor bei der Nasa

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Der schweizerisch-amerikanische Doppelbürger Thomas Zurbuchen ist seit 2016 Wissenschaftsdirektor bei der Nasa. Zuvor hatte er an der Universität Bern in Astrophysik doktoriert und als Professor an der Universität von Michigan gearbeitet.

SRF News: Wieso ist diese Nasa-Mission ein Meilenstein?

Thomas Zurbuchen: Es ist ein unglaublicher Erfolg, mit einer Mission derart nahe an die Sonne zu gelangen. Wir haben uns über 50 Jahre die Sonne angesehen, der wichtigste Stern für uns, welcher uns hier auf der Erde Leben gibt. Zum ersten Mal haben wir die Sonne berührt, Sonnenmaterial, welches im Himmel über der Sonne schwebt und durch Magnetfelder runtergehalten wird.

Wissenschaftlich gesehen ist eine der wichtigsten Fragen, wie die Sterne die Oberfläche aufheizen.

Was genau hat die Sonde in der Sonnen-Atmosphäre gemacht?

Die Sonde ist auf einem Orbit, welcher zur Venus herausgeht und immer näher an die Sonne kommt. Man kann sich das wie ein Fussballfeld vorstellen: Das Tor auf der einen Seite ist die Sonne, das Tor auf der anderen Seite ist die Erde. Wir sind nun bereits halb im Strafraum in der Nähe der Sonne. Dort machen wir genaue Beobachtungen der Umgebung.

Wenn Sie beim Bräteln ganz nahe beim Feuer stehen, ist der Kopf warm. Sobald sie aber weggehen vom Feuer, würde der Kopf plötzlich 100 Mal heisser. Diese Situation haben wir bei der Sonne.

Sie erhoffen sich Erkenntnisse zu den Sternen, damit wir besser verstehen, wie diese funktionieren. Welches sind die konkreten Fragestellungen?

Wissenschaftlich gesehen ist eine der wichtigsten Fragen in der Sternen-Physik, wie die Sterne die Oberfläche aufheizen. Wenn wir mit einem Teleskop auf die Sonne sehen, sieht die Sonne auf der Oberfläche aus wie eine Ölpfanne. Im Innern der Sonne wird durch nukleare Fusion geheizt und das Material gelangt an die Oberfläche. Wenn man von der Sonne oder anderen Sternen weggeht, wird die Atmosphäre der Sonne um einiges heisser als auf der Oberfläche. Wenn man sagt, dass die Oberfläche ca. 10'000 Grad heisst ist, so ist die Atmosphäre darüber 1'000'000 Grad. Dies ist unglaublich schwierig zu verstehen. Wenn Sie beim Bräteln ganz nahe beim Feuer stehen, ist der Kopf warm. Sobald sie aber weggehen vom Feuer, würde der Kopf plötzlich 100 Mal heisser werden. Diese Situation haben wir bei der Sonne.

Warum ist es wichtig für uns auf der Erde zu verstehen, warum die Oberfläche der Sonne weniger heiss ist als die Atmosphäre?

Die heisse Atmosphäre hat unglaublichen Einfluss auf uns. Erstens heizt diese Atmosphäre die obere Schicht der Erde auf, hat also Einfluss auf das Ende unserer Atmosphäre durch ultraviolette Strahlung. Alle ungesunde ultraviolette Strahlung, welche manchmal auf die Erde gelangt, kommt von dort. Zweitens sind magnetische Stürme zu verorten. Diese Stürme haben einen negativen Einfluss auf unsere Satelliten, welche wir beispielsweise für die Kommunikation oder GPS brauchen. Und genauso wie auf der Erde, wo wir Wettervorhersagen machen, wollen wir Voraussagen machen können über das Wetter im Raum, das sogenannte Space Weather.

Besteht wie bei Ikarus die Gefahr, dass es der Sonde zu heiss wird und sie verglüht?

Wir haben die Sonde so gebaut, dass dies nicht geschieht. Aber klar: Bei jedem dieser Vorbeiflügen muss alles perfekt laufen. Die Sonde muss so aufgesetzt sein, dass der Hitzeschild auf die Sonne ausgerichtet ist. Wenn es hier einen Fehler gibt, wäre die Mission innerhalb von Minuten misslungen und die Sonde verglüht.

Das Gespräch führte Simone Hulliger.

Echo der Zeit, 19.12.2021, 18:00 Uhr ; 

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