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Neuartiger Rollstuhl Freihändig in die Kurve

Wie der Schweizer Industriedesigner Reto Togni das Rollstuhlfahren revolutionieren will.

Porträtaufnahme von Togni
Legende: Für seine Industriedesign-Masterarbeit hat der Schweizer Reto Togni den normalen Handrollstuhl weiterentwickelt. ZVG

SRF News: Was kann Ihr neuartiger Handrollstuhl?

Reto Togni: Der «Reagiro» hat einen neuen Lenkmechanismus, der die Rückenlehne sozusagen als Steuerrad nutzt. So kann ein Fahrer den Rollstuhl lenken, indem er in die Kurve lehnt, anstatt ein Rad zu bremsen.

Was ist das Problem an den herkömmlichen Handrollstühlen?

Sie mögen zwar viele Vorteile haben, auf der Strasse oder dem Trottoir hat sich aber gezeigt, dass sehr viel gebremst werden muss. Man kann es sich wie eine Fahrt auf dem Davoser Schlitten vorstellen: Will man die Richtung ändern, ist das immer mit einem Energieverlust verbunden. Schon die kleinen Kinder wissen: Der Bob ist einfach cooler, weil man ihn lenken und so die Energie behalten kann.

Bild des Rollstuhls.
Legende: Das neuartige Lenkungssystem könnte laut Togni auch für Teile in Nacken- oder Kopfhöhe angepasst werden. ZVG

Wem kann der neue Rollstuhl Vorteile bringen?

Das muss sich noch zeigen. Bisher habe ich den neuen Rollstuhl mit Paraplegikern getestet, die in unterschiedlichen Höhen der Brustwirbelsäule gelähmt sind. Dabei zeigte sich, dass der «Reagiro» vielversprechende Vorteile bringt. Für eine Testperson war es wie Tanzen, für andere wie Velofahren. Es machte ihnen einfach Freude, und das ist ein Vorteil. Für andere Testpersonen war der Vorteil praktischer Natur: Weil man sich in dem Rollstuhl sehr einfach einhändig fortbewegen und dazu etwa ein SMS schreiben oder einen Kaffee trinken kann. Dann gibts noch die medizinische Seite. Da will ich zwar noch nichts versprechen, aber wir nehmen an, dass der neue Rollstuhl einen therapeutischen Wert haben könnte, weil damit der Oberkörper mehr und die Hände weniger gebraucht werden.

In dem Rollstuhl kann man sich sehr einfach einhändig fortbewegen und dazu etwa ein SMS schreiben oder einen Kaffee trinken.

Wo kommt der «Reagiro» an seine Grenzen?

Das hat sehr viel mit der Lähmungshöhe oder dem Krankheitsverlauf zu tun. Mir wurde oft gesagt, dass es so viele Behinderungen gibt, wie Leute mit Behinderungen. Das heisst auch, dass ich mit meinem Projekt gar nicht den Anspruch verfolgt habe, etwas für alle zu machen. Man könnte das System auch sehr gut auf leicht andere Mechanismen anpassen, etwa indem man nicht die Rückenlehne, sondern vielleicht etwas auf Nacken- oder Kopfhöhe zur Lenkung nutzt. Das liesse sich alles machen. Ob es sinnvoll wäre, muss ich abklären. Für den Mechanismus habe ich ein Patent angemeldet. Das heisst, ich möchte auch etwas damit tun. Derzeit kläre ich ab, welche Möglichkeiten es dafür gibt.

Das Gespräch führte Noëmi Ackermann.

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