SRF: Sie sind zum zweiten Mal schwanger und erwarten im Mai Ihr zweites Kind. Wie viel Sport haben Sie beim Erstgeborenen Yannis vor vier Jahren getrieben?
Nicola Spirig: So wie jetzt: etwa zwei Stunden pro Tag, fast bis zur Geburt. Ich mache etwa die Hälfte von dem, was ich als Spitzensportlerin sonst mache, das ist für mich wie Ferien! Das Training ist auch weniger intensiv, es spielt sich vor allem im Ausdauerbereich ab.
Das ist viel im Verhältnis zu anderen Schwangeren!
Ich möchte mir nie Vorwurf machen müssen, dass ich etwas falsch gemacht habe beim Training – falls etwas schief läuft oder es beispielsweise eine Frühgeburt gibt. Das heisst, ich bleibe immer zwei Stufen unter dem, was ich eigentlich machen könnte. Normalerweise ist der Körper mein Arbeitsgerät, jetzt muss ich ihn teilen. Der andere Bewohner ist wichtiger, das Kindeswohl steht ganz klar im Vordergrund. Für mich ist es ein anderes Sporttreiben, es ist nicht mehr darauf ausgerichtet, bestimmte Ziele zu erreichen oder an meine Grenzen zu gehen, sondern darauf, gesund und fit zu bleiben.
Was bringt Ihnen der Sport in der Schwangerschaft?
Ich habe das Gefühl, er tut mir gut. Zum einen schützt der der Sport vor Schwangerschaftsproblemen wie starken Wassereinlagerungen oder Schwangerschaftsdiabetes, und er hilft auch bei der Gewichtskontrolle. Zum anderen gibt er mir aber auch Selbstvertrauen. Ich spüre mich einfach besser, selbst wenn mein Körper jetzt anders ist.
Hatten Sie nie Probleme beim Sporttreiben?
In den ersten drei Monaten ging es mir nicht so gut. Auch da hat mir der Sport geholfen. Mir war weniger schlecht, wenn ich mich bewegt habe, als wenn ich einfach daheim gewesen bin.
Ich schwimme immer noch bis zu sechs Kilometer am Stück.
Was machen Sie denn aktuell noch?
Als Triathletin sind die Hauptdisziplinen für mich natürlich immer noch Schwimmen, Velofahren und Rennen. Schwimmen ist am einfachsten. Im Wasser spürt man das Gewicht nicht so, auch im dritten Schwangerschaftsdrittel, wenn man viel mehr Gewicht mit sich herumträgt. Im Wasser fühle ich mich sehr wohl und man hat auch keine Schläge. Deshalb schwimme ich immer noch bis zu sechs Kilometer am Stück. Ich kann immer noch eineinhalb Stunden im Wasser trainieren, in Ausnahmesituationen sogar zwei. Das muss dann aber auf einem ruhigen Level sein.
Und dann gibt’s da ja auch noch Laufen und Velofahren.
Velofahren habe ich wegen der Sturzgefahr von Anfang an nur noch drinnen auf der Rolle gemacht. Beim Laufen spüre ich das Gewicht von jetzt zusätzlichen elf Kilogramm am meisten. Es geht immer noch, aber deutlich langsamer. Ich laufe vor allem bergauf, damit es weniger Schläge gibt, bergab ist es dann eher ein langsames Marschieren.
Laufen Sie auch noch intensive Einheiten?
In einem sind sich die Ärzte einig: Wenn ich einen Sauerstoffmangel habe, weil ich sehr intensiv trainiere, dann kann das Baby auch einen Sauerstoffmangel haben und das will ich auf jeden Fall verhindern. Ich laufe deshalb nur noch maximal zehn Sekunden intensiv, zum Beispiel einen Hügel hoch. Dann aber umso gemütlicher runter, so dass ich nicht in eine Sauerstoffschuld komme.
Frauenärzte wissen nicht so gut Bescheid über Leistungssport, Sportärzte wiederum haben nicht so viel Erfahrung mit Schwangerschaften.
Wie findet eine Spitzenathletin wie Sie heraus, wo die Grenzen sind?
Das fand ich tatsächlich sehr schwierig. Im Internet findet man zwar Informationen dazu, dass Sport für Schwangere gesund ist, wenn sie keine grösseren Probleme haben. Aber was heisst das jetzt für eine Spitzensportlerin? Die Frauenärzte wissen nicht so gut Bescheid über Leistungssport, Sportärzte wiederum haben nicht so viel Erfahrung mit Schwangerschaften. Am hilfreichsten war es deshalb, andere Spitzensportlerinnen mit einem ähnlichen Problem zu befragen, die Orientierungsläuferin Simone Niggli-Luder beispielsweise, oder die Triathletin Magali Di Marco Messmer oder auch Sibylle Matter, die mit mir Triathlon gemacht hat, selber Kinder hat und jetzt Sportärztin ist.
Ihre Karriere ist beeindruckend: Olympia-Gold in London 2012, dann das erste Kind. Drei Jahre später Olympia-Silber in Rio. Jetzt sind Sie wieder schwanger. Ist es für Spitzenathletinnen so einfach, schwanger zu werden?
Es scheint so (lacht). Mit mir sind gerade noch sechs bis sieben andere Spitzen-Triathletinnen schwanger, darunter die Olympia-Siegerin Gwen Jorgensen. Ich bin sehr dankbar, dass es geklappt hat.
Das Gespräch führte Jacqueline Schwerzmann