Nachdem Julius Völkin den Hörer aufgelegt und die Entertaste gedrückt hatte, beschlich ihn ein seltsames Gefühl. Ein Verkäufer der Firma Cornertec hatte ihn angerufen und mitgeteilt, es sei noch eine monatealte Lieferung von Druckerpatronen von einer früheren Bestellung offen. Weil Cornertec den Versand verschlampt habe, gäbe es – quasi als Entschuldigung – eine Preisreduktion. Völkin müsse nur noch das Mail mit der Lieferbestätigung zurückschicken. «Das Mail kam direkt und ich bestätigte es mit einem ‹OK›. Dann wurde mir bewusst: Das war jetzt doch ein wenig komisch.»
Frühere Bestellung vorgetäuscht
Julius Völkin macht eine kaufmännische Lehre im Schulheim Effingen. Was er nicht wissen konnte: Eine frühere Bestellung hat es gar nie gegeben.
Fies beim Päckli-Trick: Als sich die Finanzchefin des Schulheims, Jeanette Bächtold, bei Cornertec beschwerte und sagte, man habe noch nie etwas bestellt, hiess es dort: Doch, Julius Völkin habe bestellt – schriftlich mit seinem «OK».
Auftrag für 12'000 Franken erschwindelt
«Kassensturz» kennt vier weitere, praktisch identische Fälle. Cornertec-Verkäufer plapperten jeweils von früheren Bestellungen und versprachen Preisreduktionen als Entschuldigung für die verspätete Lieferung. Bei zwei Betrieben erschwindelte sich Cornertec je eine Lieferung von Schutzmasken und Schutzhandschuhen für 12'000 Franken. Eine Firma bezahlte, weil sie sich nicht auf einen juristischen Streit einlassen wollte. Allerdings handelte sie die Ware um 20 Prozent herunter.
Leute systematisch überrumpelt
Der zweite Betrieb, das Seniorenzentrum Oase in Rümlang, liess die drei je etwa 20 Kilo schweren Pakete wieder abholen. Cornertec hatte mit einer Mitarbeiterin telefoniert und dann bei der anderen behauptet, die Ware sei bereits bestellt. Es gehe nur noch um die Bestätigung. « Dann hat sich die andere Mitarbeiterin dazu gedrängt gefühlt, das OK zu geben und es dann auch gemacht», sagt die Leiterin der Oase Rümlang, Jacqueline Krebs. «Da wurden wir völlig überrumpelt. Aber das ist wohl die Masche, mit der Cornertec arbeitet.»
Wir distanzieren uns von jeglichen Anschuldigungen und Vorwürfen. Die lückenhafte und mangelhafte Recherche ermöglicht weder einen echten Ein- noch Überblick in die wahre Geschäftstätigkeit.
Chef von Cornertec ist Ali Yilmaz. Drei Wochen lang bemühte sich «Kassensturz» um eine Stellungnahme. Doch, statt die Fragen zu beantworten, wirft Firmenchef Yilmaz «Kassensturz» oberflächliche und schlechte Recherche vor: «Wir distanzieren uns von jeglichen Anschuldigungen und Vorwürfen. Die lückenhafte und mangelhafte Recherche ermöglicht weder einen echten Ein- noch Überblick in die wahre Geschäftstätigkeit.» Zudem sei Cornertec ein Start-up und deshalb können Fehler geschehen.
Cornertec 1:1-Kopie von früherer Schwindelfirma
Die «Kassensturz»-Recherche zeigt: So unbedarft, wie sich Yilmaz gibt, ist er nicht. 2013 arbeitete Yilmaz als Prokurist bei der berüchtigten Swiss Print Group. Die Firma hatte Kunden mit aggressivem und teilweise irreführendem Telefonmarketing Tonerpatronen zu überrissenen Preisen angeboten. Die Konsumentenzeitschrift «K-Tipp» beschrieb, wie die Swiss Print Group wiederaufgefüllte Kartuschen als neu verkaufte.
Hilfreich:
Damals bezahlten einige Firmen, weil sie glaubten, dass die Ware tatsächlich bestellt worden sei. Andere wollten es nicht auf einen Rechtsstreit ankommen lassen. Heute ist klar: Das Verkaufssystem von Cornertec und Co. basiert auf einem faulen Trick.