Am Anfang stand der Idealismus. Wikipedia-Mitbegründer Jimmy Wales hat es einst an einer Präsentation erklärt: Wikipedia soll das gesammelte Wissen der ganzen Menschheit zugänglich machen. Geschrieben und redigiert von Freiwilligen.
Und auch wenn Wikipedia noch nicht so weit ist – die Zahlen sind eindrücklich: Über 35 Millionen Artikel erklären die Welt, fast zwei Millionen in deutscher Sprache. Weltweit sorgen über 80‘000 Freiwillige dafür, dass ständig neue Einträge dazukommen.
Autorinnen untervertreten
Doch die Zahl der freiwilligen Autoren ist rückläufig. Besonders an Frauen mangelt es. Sie machen nicht einmal einen Fünftel der Wikipedia-Gemeinde aus. In der Schweiz sind ein paar Hundert Wikipedianer mehr oder weniger aktiv.
Patrick Kenel ist Präsident von Wikimedia CH. Nach seinen Worten ist es schwierig, neue Autoren zu finden. «Es ist eine sehr kleine Minderheit, die dieses Hobby ergreift. Man muss etwas mitbringen. Ein Interesse an Wissen, Technik oder Gesellschaft. Und dann auch bereit sein, in der Freizeit ständig an Artikeln zu arbeiten, sie zu verbessern und auszubauen.
Wer mitmachen will, muss auch einstecken können
Der Aufwand kann also neue Autoren abschrecken. Hinzu kommt, dass die Pionierzeit bei Wikipedia vorbei ist. Wer einen Eintrag neu aufsetzen will, muss mittlerweile viel Bürokratie überwinden. Es gibt genaue Vorgaben für die Form und den Aufbau eines Artikels. Auch muss jeder Eintrag Relevanzkriterien erfüllen, damit er überhaupt auf Wikipedia gelangt. Auch herrscht auf den Diskussionsseiten zu den einzelnen Artikeln zuweilen ein bissiger Ton.
Wikipedia tönt
Die Regeln auf Wikipedia haben zugenommen. Das könne neue Wikipedianer entmutigen, sagt der Schweizer Micha Rieser, der um die 300 Artikel verfasst hat: Nach aussen vermittle Wikipedia immer noch den Eindruck, es sei alles irgendwie frei und unkompliziert: «Das stimmt einfach nicht. Sehr viele kommen dann erst später darauf, dass es ganz viele Reglemente gibt und dass man nicht einfach so aus dem Bauch heraus editieren kann.»
Nach aussen vermittelt Wikipedia immer noch den Eindruck, dass alles irgendwie frei und unkompliziert ist. Das stimmt einfach nicht.
Kritische Stimmen zu Spenden
Trotz Nachwuchsproblemen – das Online-Lexikon ist längst in den Olymp der zehn meistbesuchten Webseiten aufgestiegen. Doch anders als Google oder YouTube wird Wikipedia ausschliesslich durch Spenden finanziert, Werbung gibt es keine: Sein Lexikon brauche nur wenig Geld, um zu funktionieren, so Jimmy Wales.
Doch Kritiker sagen: Wenn die Nutzer jeweils Ende Jahr zum Spenden aufgerufen werden, komme mehr Geld zusammen als nötig. Die Stiftung Wikimedia, die das Lexikon betreibt, häufe mittlerweile Geld an.
Zitierfähigkeit beschränkt
Und auch inhaltlich bleiben Zweifel: Das Wissen, das auf Wikipedia zusammengetragen werde, genüge den Qualitätsansprüchen einer Enzyklopädie nicht. An den meisten Universitäten zum Beispiel ist es nach wie vor nicht erlaubt, Wikipedia zu zitieren. Und trotzdem wird das Online-Lexikon monatlich etwa 15 Milliarden Mal aufgerufen.
Der Artikel über den vor kurzem verstorbenen Musiker David Bowie ist übrigens diese Woche der am häufigsten angeklickte Artikel. Wie man das herausfindet: per Wikipedia versteht sich.