Gross ist die Genugtuung jeweils, wenn der Autofahrer 2.0 dank App oder Navigationsgerät der kilometerlangen Blechlawine entrinnt: Der Steuermann steigt zum heimlichen Helden des Osterfests auf. Herr und Frau Schweizer versauern derweil auf dem Weg gen Süden in selbstverschuldeter Unwissenheit.
Doch der persönliche Triumph ist oft von kurzer Dauer, sagt ein Stauforscher im Gespräch mit SRF News: «Die Strassen haben eine Kapazitätsgrenze. Wenn die erreicht ist, hilft einem gar nichts mehr», so Michael Schreckenberg von der Universität Duisburg-Essen.
Der digitale Freund rate zwar zur Umfahrung hochbelasteter Strecken. Aber das «nachgeordnete Netz» sei sehr schnell überlastet – denn die Kapazität der Umfahrung sei noch geringer als auf der Autobahn im Stau: «Dort kommt man üblicherweise noch mit zehn Stundenkilometer vorwärts, das ist auf der Landstrasse ganz anders.»
Das Zurückschrauben des menschlichen Faktors
Bleibt Stau also wider allen Erfindungsreichtums die Geissel unserer Zeit? Jein, sagt der Verkehrswissenschaftler. Denn tatsächlich gibt es Optimierungspotenzial. Allerdings nicht nur bei der Technik: «Man müsste den Fahrer verändern. Wenn er sich kooperativer verhält, würde das wirklich etwas bringen.»
Zunächst habe der Mensch am Steuer eine naturgegebene Reaktionszeit von bis zu einer Sekunde. Und er tendiere zu Unaufmerksamkeit, so Schreckenberg. Das Ergebnis: Stockende, unorganisierte Kolonnenfahrten, angeführt von genervten Verkehrsteilnehmern.
Man müsste den Fahrer verändern. Wenn er sich kooperativer verhält, würde das wirklich etwas bringen.
Zu diesen rein biologischen gesellen sich aber auch charakterliche Negativfaktoren: «Die Menschen sind in vielen Fällen sehr egoistisch.» Der stete Prozess von Beschleunigen, Bremsen, der Kampf um die Pole Position – all dies hindere den Verkehrsfluss massiv: «Man ist dann sogar Auslöser einer Stauwelle, die man gar nicht mitbekommt, weil sie hinter einem ist.»
Fortschritt durch Technik
Ganz anders die Technik, die vom Prinzip «Nach mir die Sintflut» unbelastet ist. Denn die Wissenschaft untersuche in vielen Projekten, wie man den Strassenverkehr künftig optimieren kann, so der Stauforscher. Im Zentrum aller Überlegungen: Das autonome, bis hin zum voll automatisierten Fahren.
Neben einem sozialverträglicheren Fahrverhalten plädiert Schreckenberg denn auch für ein «Zurückschrauben des menschlichen Faktors» im Verkehr. «Künftig haben wir viele Assistenzsysteme und Elektronik im Fahrzeug. Am Ende steht die Vernetzung der Fahrzeuge untereinander», blickt Schreckenberg in eine vielleicht nicht allzu ferne Zukunft.
Man könnte die Autos wie einen Zug zusammenschalten. Damit liessen sich viele Staus verhindern.
Dieser technologische Fortschritt mache es tatsächlich möglich, dass sich Fahrzeuge künftig «synchron auf der Strasse bewegen können. Man könnte die Autos wie einen Zug zusammenschalten. Damit liessen sich viele Staus verhindern.» Zumindest theoretisch.
Doch praktisch steht dem Autopilot auf dem Asphalt wieder menschliches Störfeuer im Weg. Hier gebe es laut Schreckenberg noch viele ungeklärte Fragen, beispielsweise die Schuldfrage nach Unfällen. Und vielleicht würde auch der fehlende Fahrspass zum Zankapfel – auch wenn der im Osterstau buchstäblich auf der Strecke bleibt.