Mit knappen, präzisen Handbewegungen hackt Koch Chan Hou Meng ein rot glänzendes Huhn in kleine Stücke. Diese schiebt er mit Erdnüssen und etwas Schweinefleisch auf einen Teller mit Reis. Es dampft und zischt in seiner winzigen Imbissbude.
Er kocht Hühnchen in Soja-Sauce, gebratenes Schwein, Reis und Nudeln. Gelernt hat er das vor dreissig Jahren in einem chinesischen Restaurant. Das Rezept hat er verfeinert; wie, ist sein Geheimnis.
Ein Gourmet-Gericht für 1 Franken 40
Die Testesser des Gourmet Michelin-Guide waren begeistert davon. Sie gaben Chans Hühner-Gericht, das nur gerade 1.40 Franken kostet, diesen Sommer einen Stern. Sie honorieren damit Chans Kunst, mit einfachen Zutaten, Aussergewöhnliches zu kreieren.
Die Michelin-Experten hoffen zudem, dass mit diesem Stern die Strassenküche von Singapur international bekannter wird. Schliesslich dreht sich in Singapur alles ums Essen und die Hawker centers. Das sind meist grosse Hallen voller winziger Küchenstände, in denen oft nur ein billiges Gericht gekocht wird. In Singapur sind sie fester Bestandteil der Kultur.
Jungen ist die Arbeit in den Strassenküchen zu hart
Doch die Arbeit ist hart. Koch Chan verlässt seine Wohnung jeden Morgen um fünf und steht bis am späten Nachmittag in seiner kleinen Küche. Deshalb wollten viele Junge nicht mehr in Hawker Zentren arbeiten, sagt der bescheidene, kleine Mann: «Sie bevorzugen, in Restaurants zu arbeiten, weil sie dort Aufstiegschancen haben. Ich hoffe jedoch, dass mein Michelin-Stern unserem Geschäft etwas mehr Glanz verleihen wird.»
Nicht weit von Koch Chans Kleinstrestaurant entfernt serviert das Personal des Candlenut Restaurants einen anderen Gaumenschmaus: Eine schwarze Suppe aus der Buah Keluak Nuss, die in den südostasiatischen Mangrovenwäldern wächst; Schweinebäckchen mit Tamarinde und Sojapaste; Rindszunge und Wok-Crevetten. Es sind verfeinerte Gerichte der Peranakan Kochkultur, einer Mischung aus malaysischer und chinesischer Küche.
Michelin-Stern auch für die Peranakan-Küche
Auch der 32-jährige Chefkoch und Besitzer des Candlenut wurde mit einem Michelin Stern ausgezeichnet. Er sagt, in den letzten Jahren sei diese Küche immer mehr durch neue, westliche Trends verdrängt worden. Auch er selbst lernte seine Künste in den USA und in Frankreich. Doch die Frage nach der eigenen Identität liess ihn nicht los. Deshalb kehrte er nach Singapur und zur Peranakan Küche zurück.
Wie wichtig eine nationale Kultur für den Zusammenhalt ist, hat auch die Regierung erkannt. Die Tourismuszentrale fördert nun gezielt Trends, die lokalen Ursprünge haben.
Koch Chan jedoch denkt, seit er den Michelin Stern bekommen hat, längst nicht mehr lokal. «Ich will mein Sojasaucen-Hühnchen mit der ganzen Welt teilen», sagt er stolz. Er will eine internationale Kette aufbauen. Mögliche Investoren haben sich schon bei ihm gemeldet. Sein Rezept kostet allerdings mehr als sein günstig-Gericht: zwei Millionen Dollar will Chan dafür haben.