Was es heisst, wenn die Nacht einkehrt und tiefschwarze Dunkelheit einsetzt, erleben viele Menschen in ihrem Alltag nie. Die meisten kennen wohl die andere Seite der Nacht: Strassenlampen, hell erleuchtete Baustellen und Sportanlagen, ganze Städte unter einer dunstigen, orangefarbenen Lichtglocke.
Die Rund-um-die-Uhr-Beleuchtung verheisst in vielen Fällen Sicherheit und Wohlstand. Sie hat aber auch weniger angenehme Folgen für Mensch und Tier. Umweltschützer warnen seit langem nicht nur vor der wachsenden Verschmutzung unserer Umwelt durch Abgase oder Lärm, sondern auch durch Licht.
«Auch auf uns üben die Bilder der Nasa natürlich eine gewisse Faszination aus», räumt Lukas Schuler von Dark-Sky Switzerland ein, ein Verein, die seit Mitte der neunziger Jahre für einen bewussten Umgang mit künstlichem Licht kämpft. «Neben aller Ästhetik und Schönheit wird damit für uns aber auch einmal mehr deutlich, wie sehr unser Planet durch Licht verschmutzt ist.»
Wo gehts hier zur Milchstrasse?
Eine der offensichtlichsten Folgen: der getrübte Blick auf den Sternenhimmel. In einer vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) herausgegebenen Broschüre war bereits 2005 die Rede davon, dass von den gut 2000 Sternen, die im Schweizer Mittelland mit blossem Auge sichtbar sein sollten, heute nur noch wenige Dutzend erkennbar seien. «Die Faszination des Alls geht im Lichtermeer verloren», heisst es in der Broschüre.
Neben diesem kulturellen Verlust hat die nächtliche Beleuchtung auch nachweisbare Folgen für Tiere. Viele haben sich im Laufe der Evolution an den Wechsel von Tag und Nacht angepasst – es gibt etliche, die erst im Schutze der Nacht aktiv werden oder den Sternenhimmel zur Orientierung nutzen.
Einbahnstrasse Kunstlicht
Für Zugvögel etwa sind Mond und Sterne unter natürlichen Bedingungen die einzigen Lichtquellen – bei schlechter Sicht leiten sie den Tieren ihren Weg durch den Nebel. Das vom Menschen gemachte Licht der Städte ist für Vögel oft fatal: Nicht nur droht ihnen schlicht der Zusammenstoss mit einem Gebäude. Experten von der Vogelwarte Sempach schilderten schon vor einigen Jahren, wie immer häufiger Vögel im Lichtermeer über einer Stadt förmlich gefangen werden. Im Extremfall gingen die Tiere nach stundenlangem Hin- und Herfliegen zugrunde.
Weniger drastisch, aber spürbar sind die Folgen, welche die künstliche Lichtflut für den Menschen hat. Die wissenschaftliche Untersuchung des Zusammenwachsens von Tag und Nacht und der Folgen für den menschlichen Organismus steckt noch in den Kinderschuhen. Erste Studien weisen aber durchaus darauf hin, dass die Dauerbeleuchtung nicht nur zur Schlafstörungen und Kreislaufproblemen, sondern auch zu ernsthafteren gesundheitlichen Schäden führen kann.
Wurden Mahner wie Dark-Sky in ihrer Anfangszeit noch belächelt, sind sie in den vergangenen Jahren zu Ansprechpartnern für Behörden und auch Private geworden. «Heute müssen wir fast niemandem mehr erklären, was Lichtverschmutzung eigentlich ist», sagt Lukas Schuler von Dark-Sky Switzerland. «Die Menschen haben in der Regel sehr konkrete Anliegen.»
Flutlicht – alt und neu
Ein Beispiel, bei dem Dark-Sky tätig wurde: die Flutlichtanlage eines neuen Sportplatzes in Geroldswil im Kanton Zürich. Jahrelang hatte die alte Anlage des Platzes die Nachbarn gestört, weil das grelle Licht stark blendete.
Der neue Sportplatz erhielt eine Anlage, die nach den Empfehlungen von Dark-Sky Switzerland eingerichtet wurde – das Ergebnis kann sich sehen lassen.
Längst hat auch der Bund mit Empfehlungen reagiert. Das über allem stehende Prinzip ist denkbar einfach: «Licht soll nur dorthin gelangen, wo es der Mensch auch braucht», heisst es im Leitfaden des Bafu. Er liest sich wie ein Plädoyer für einen gewissenhaften Umgang mit künstlicher Beleuchtung. «Licht in Richtung Himmel oder in ökologisch sensible Lebensräume zu strahlen, nützt niemandem, sondern verbraucht unnötig Energie, schadet anderen Lebewesen und entwertet das Landschaftserleben.»