Der Vulkanausbruch in Island stellt – anders als befürchtet – im Moment keine Gefahr für den Flugverkehr dar. Die isländischen Behörden senkten am Nachmittag die Warnstufe von Rot auf Orange. Entscheidend dafür war, dass keine Asche in der Luft festgestellt wurde. Diese Partikel können im Extremfall zum Ausfall von Flugzeugtriebwerken führen.
Der Vulkan Bardarbunga war in der Nacht auf Freitag nach mehreren Erdbeben ausgebrochen. «Die ganze Region ist zurzeit sehr unruhig», sagt der ETH-Wissenschaftler Olivier Bachmann. «Wir haben im August viele Erdbeben registriert.»
«Explosive Mischung»
Das Gebiet des Ausbruchs liegt nördlich des Vatnajökull-Gletschers, etwa in der Mitte Islands. Die Region ist praktisch unbewohnt – für grosse Vulkanausbrüche aber besonders gefährdet. «In Island gibt es viele Gletscher. Durch das heisse Magma entsteht an diesen Gletschern Schmelzwasser. Schmelzwasser und Magma wiederum ergeben eine explosive Mischung, die zu grossen Ausbrüchen führen kann», erklärt ETH-Forscher Bachmann.
Ein so grosser Ausbruch könnte durchaus gefährlich werden für den Luftverkehr. Ist diese Gefahr am Bardarbunga nun also gebannt? Fürs erste vielleicht.
Doch Experte Bachmann will nicht ausschliessen, dass ein grösserer Ausbruch erst noch bevorsteht. «Es besteht die Möglichkeit, dass es innerhalb der nächsten Tage zu einem noch grösseren Ausbruch kommt», sagt der ETH-Forscher.
Sorgenvolle Blicke richten die Experten derzeit auch auf einen Nachbarvulkan, den Askja im Norden des Bardarbunga. Dieser schlummert zwar eigentlich seit dem letzten grossen Ausbruch im Jahr 1975 Jahren vor sich hin. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass die Aktivität am Bardarbunga ihn weckt. «Das Magma bewegt sich Richtung Norden zum Askja-Vulkan», sagt Bachmann. «Es besteht die Möglichkeit, dass es nun auch dort zu einem Ausbruch kommt.»
Erinnerungen an 2010
Der Ausbruch des Bardarbunga weckt Erinnerungen an den letzten grossen Vulkanausbruch auf Island vor gut vier Jahren. Damals hatte der Gletschervulkan Eyjafjallajökull so grosse Aschemengen in den Luftraum geschleudert, dass der Flugverkehr in weiten Teilen Europas mehrere Tage zum Erliegen kam – ein Szenario, das viele Fluggesellschaften fürchten.
In der Notfallzentrale der Swiss am Flughafen Zürich-Kloten ist alles für einen solchen Ernstfall bereit. Die Airline würde im Falle einer grossen Aschewolke versuchen, ihre Flugzeuge vor einer Luftraumsperre in die Schweiz zurückzuholen. Dies sei 2010 gelungen, erklärt Martin Knuchel, Notfall-Manager der Swiss, gegenüber SRF.
«Viel gelernt»
Knuchel geht aber davon aus, dass die Folgen bei einem abermaligen Auftreten einer Aschewolke nicht mehr so massiv wären wie vor vier Jahren. «Damals waren wir mit einem vollkommen neuen Phänomen konfrontiert – wir sind überrascht worden.» Heute habe man sehr viel dazu gelernt, angefangen bei neuen Meteo-Karten bis hin zu anderen Grenzwerten. «Wir haben uns mit der Thematik Asche und ihren Folgen für Triebwerke auseinandergesetzt.»
Auch die Luftfahrtbehörden haben das Problem seit 2010 analysiert. Die Schweizer Skyguide etwa hat in internationalen Fachkommissionen mitgearbeitet. Heute würde man wohl weniger restriktiv reagieren. «2010 wurde der Luftraum durch die Regierungen geschlossen, weil man die Risiken noch nicht kannte», sagt Skyguide-Betriebsleiter Pascal Hochstrasser gegenüber SRF. Mit dem heutigen Wissen würde man vermutlich weniger restriktiv reagieren – «ohne die Sicherheit zu gefährden».