SRF News: Die Chicago Cubs wurden von einem Fan verwünscht, auf den englischen Fussballern lastet ein Penalty-Fluch, der sie immer ausscheiden lässt – Aberglaube scheint in der Sportwelt weit verbreitet. Alles Mumpitz, oder steckt etwas dahinter?
Jan Rauch: Ein Fluch ist aus psychologischer Sicht natürlich Unfug, aber er kann durchaus eine indirekte Wirkung entfalten: Unser Hirn ist ja darauf trainiert, Sachen zu interpretieren und wenn ein Sportler nun beispielsweise mehrere Male hintereinander verliert, dann neigt man rasch dazu, das Pech zu nennen. Das kommt vielleicht erst aus dem Umfeld oder wird von Medien aufgegriffen und aufgebauscht. So heisst es schnell, man habe eine Negativserie oder eben krasser, sei von einem Fluch verfolgt. Ob dieser «Fluch» seine Wirkung auch entfaltet, hängt davon ab, wie stark sich ein Sportler von solchem Aberglauben beeinflussen lässt.
Wie helfen Sie Sportlern oder Mannschaften, wenn diese das Gefühl haben, sie seien vom Pech verfolgt?
Wir gehen analytisch vor, machen etwa Spielanalysen, um aufzuzeigen, dass beispielsweise eine Niederlagenserie meistens objektive, nachvollziehbare Gründe hat (und dem kein «Fluch» zugrunde liegt.). Denn «normale» Gründe für Niederlage und Misserfolg gibt es eigentlich immer: Die Leistungsfähigkeit, die gerade nicht stimmt, das Zusammenspiel im Team, das nicht funktioniert, der Gegner, der einfach besser ist, und so weiter. In der Regel arbeiten wir jedoch mit einzelnen Spielern individuell. Denn lange nicht alle Spieler wollen etwas damit zu tun haben oder lassen sich durch einen angeblichen «Fluch» oder eine Pechsträhne aus der Ruhe bringen. Andere jedoch machen sich mehr Gedanken und das nehmen wir ernst.
Denn, man muss bedenken: Die meisten Spitzensportler sind hochautomatisiert. Jede Bewegung ist tausendmal einstudiert. Wenn nun ein Sportler zu grübeln beginnt und unsicher wird, dann kann das diese Automatismen leicht stören. Das ist potenziell schon leistungsbeeinträchtigend.
Sie entlarven einen Fluch als das, was er ist: als Aberglaube. Aber nicht jeder «Glaube» muss doch eine negative Wirkung haben?
Genau. Unzählige Sportler vertrauen ja etwa auf Rituale und glauben an ihre Wirkung. Fussballspieler bekreuzigen sich oder betreten das Feld immer mit einem bestimmten Fuss zuerst, Eishockeyspieler ritualisieren das Vorbereiten der Stöcke – oder nehmen wir Rafael Nadal, der vor jedem Ballwechsel jeweils ausgiebig seine Kleidung zurecht zupft. Objektiv gesehen hat diese Tätigkeit sicher nichts mit dem Ausgang des Spiels zu tun, aber wenn es ihm hilft bei der Vorbereitung, etwa um sich zu konzentrieren, dann ist das doch gut. Aus sportpsychologischer Sicht unterstützen wir fast alles, was positiv besetzt ist und das Selbstvertrauen des Athleten stärkt. Ist die Wirkung jedoch negativ, versuchen wir aufzuzeigen, dass es andere Gründe gibt für den Misserfolg und dass es nichts mit Übersinnlichkeit zu tun hat.