Die Lage in den überfluteten Gebieten im Fernen Osten Russlands spitzt sich den Rettungskräften zufolge immer weiter zu. In der Stadt Chabarowsk nahe der Grenze zu China führe der Amur-Fluss mit 6,42 Meter ein Hochwasser wie zuletzt im Jahr 1897, sagte ein Sprecher vom Zivilschutz der Agentur Interfax.
Ein Grund für den höheren Pegelstand sei, dass Wasser aus zwei vollgelaufenen Staudämmen abgelassen worden war. Wenn sich die Lage in der Region rund 6000 Kilometer östlich von Moskau weiter verschlechtere, müssten bis zu 100'000 Menschen zusätzlich in Sicherheit gebracht werden.
Mindestens 17'000 Menschen mussten bereits in Notunterkünfte gebracht werden, darunter mehr als 5000 Kinder. Zehntausende Helfer kämpften im Katastrophengebiet entlang des Amur-Flusses weiter mit schwerem Gerät gegen das Hochwasser. Rund 5300 Häuser in mehr als 120 Orten seien nach schweren Regenfällen überflutet, sagte Zivilschutzminister Wladimir Putschkow bei einer Videokonferenz mit Präsident Wladimir Putin.
Höher als 1898
Putin versprach weitere Rettungskräfte für das Gebiet. «Der Schaden ist gross, aber Stromleitungen und Brücken kann man wieder aufbauen. Schützen Sie zuerst die Menschen, nicht das Material», sagte Putin. Er kündigte eine Erhöhung der Soforthilfe von 100 Millionen Rubel (etwa 2,8 Millionen Franken) an. Der Schaden wird von den Behörden schon jetzt auf umgerechnet Dutzende Millionen Franken geschätzt.
Eine riesige Transportmaschine vom Typ Iljuschin Il-76 brachte Planierraupen zum Dammbau sowie Boote und Nahrung in die Region. Transporthelikopter vom Typ Mi-8 und Mi-26 bargen Dutzende Bewohner, die sich vor den Fluten auf Dächer gerettet hatten.
Gesundheitsministerin Veronika Skworzowa kündigte Impfungen für die Bewohner der Region an. Die Menschen müssten vor Typhus und Leberentzündungen geschützt werden, sagte sie. Medizinstudenten aus Moskau sollen in den nächsten Tagen die örtlichen Ärzte unterstützen. Die Polizei habe zum Schutz vor Plünderern die Streifen in den evakuierten Gebieten verstärkt, sagte Präsidentenberater Viktor Ischajew.
Milliarden-Schäden in China
Auch in Teilen Chinas kämpfen die Menschen gegen die Wassermassen. Bei Überschwemmungen und Erdrutschen sind mindestens 57 Menschen ums Leben gekommen. Alleine in der südchinesischen Provinz Guangdong meldeten die Behörden am Sonntag 20 Tote.
Weitere sieben Menschen werden noch vermisst, wie die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete. 19'000 Häuser sind in Guangdong zerstört oder schwer beschädigt worden.
Die Regierung hat 1500 Zelte und 4700 Klappbetten in die am schlimmsten betroffenen Regionen geschickt. Den wirtschaftlichen Schaden schätzen die Behörden auf 490 Millionen Yuan (73,5 Millionen Franken).
Auch im Nordosten Chinas starben viele Menschen in den vergangenen Tagen bei Überschwemmungen. In den Provinzen Jilin, Heilongjiang und Liaoning kamen 37 Menschen ums Leben.
Die Wassermassen zerstörten in der Region bisher mehr als 2500 Gebäude und beschädigten mindestens 12'500 Häuser. Zahlreiche Bahnstrecken, Strassen und Brücken wurden beschädigt. Der Schaden wird mit 7,1 Milliarden Yuan beziffert. Etwa 140'000 Chinesen mussten ihre Häuser verlassen.