Die frühere DDR-Ministerin für Volksbildung, Margot Honecker, ist tot. Die Witwe von DDR-Staats- und SED-Parteichef Erich Honecker starb fernab von Deutschland im selbst gewählten chilenischen Exil. Sie wurde 89 Jahre alt.
Mit eiserner Hand in Schulen und Kindergärten
Mehr als ein Vierteljahrhundert hatte die Ex-Funktionärin mit eiserner Hand sozialistische Ideologie an Schulen und in Kindergärten der DDR durchgesetzt. Die Frau mit dem Blaustich im Haar galt als heimliche, aber wahre Machthaberin im Arbeiter- und Bauern-Staat. Ihren Mann soll sie wie eine Marionette geführt haben, hatten Insider berichtet.
Die einstige First Lady der DDR lebte seit Anfang der 90er Jahre mit deutscher Rente in der chilenischen Hauptstadt Santiago de Chile. Schlagzeilen machte Margot Honecker, als sie vor dem Bundessozialgericht Nachzahlungen von mehreren tausend Mark erstritt.
Urne mit Asche ihres Mannes im Wohnzimmer
Auch ihr Mann Erich Honecker reiste Anfang 1993 nach Chile aus, nachdem in Deutschland der Prozess gegen ihn wegen Totschlags von DDR-Flüchtlingen wegen seiner Krebserkrankung eingestellt worden war. Ihr 15 Jahre älterer Mann lebte noch kurz bei Margot Honecker, bevor er im Alter von 81 Jahren am 29. Mai 1994 starb. Die Urne mit seiner Asche bewahrte die Witwe lange in ihrem Wohnzimmer auf. Inzwischen wurde der einstige Politfunktionär nach Berichten von Enkel Roberto in der chilenischen Hauptstadt beigesetzt.
Von 1963 bis zum Herbst 1989 war die elegante, schlanke Frau Ministerin für Volksbildung in der DDR. Gegen den Widerstand der Kirchen führte sie 1978 an den Schulen Wehrunterricht ein. Christlich engagierte Schüler wurden benachteiligt und bekamen häufig keinen Studienplatz. Noch 1989 hielt Honecker eine «Erziehungsrichtlinie» hoch, dass der Sozialismus, wenn nötig, mit der Waffe verteidigt werden müsse.
Schnelle Karriere der Telefonistin
Weit über die DDR-Grenzen hinaus hatte die Hardlinerin 1988 für Aufsehen gesorgt, als auf ihre Weisung vier aufmüpfige Schüler von einer Oberschule in Berlin-Pankow verwiesen wurden. Sie hatten sich gegen Militärparaden gewandt.
Die am 17. April 1927 in Halle geborene Margot Feist hatte nach dem Krieg als SED-Mitglied Karriere in der Jugendorganisation FDJ gemacht. Schnell stieg die Telefonistin zur Vorsitzenden der Kinderorganisation «Junge Pioniere» auf. Mit 22 Jahren war sie die jüngste Abgeordnete in der Volkskammer - dem DDR-Parlament. Die Arbeit brachte sie mit dem späteren Partei- und Staatschef Erich Honecker zusammen, 1953 heirateten sie. Schon 1951 wurde die gemeinsame Tochter geboren.
Ermittlungen der Staatsanwaltschaft
Nach dem Mauerfall ermittelte die Staatsanwaltschaft gegen Margot Honecker wegen ihrer Verantwortung für Zwangsadoptionen von Kindern, deren Eltern wegen «Republikflucht» oder «Spionage» verhaftet worden waren. Ein entsprechender Prozess wurde 1994 aber eingestellt.
Nachdem Erich Honecker am 18. Oktober 1989 als DDR-Staats- und Parteichef zurücktreten musste, legte seine als dogmatisch verhasste Frau zwei Tage später «aus persönlichen Gründen» ihr Amt nieder. 1991 wurden die Honeckers aus dem sowjetischen Militärhospital Beelitz bei Potsdam nach Moskau gebracht. Die Bilder von Spaziergängen an der Seite ihres kranken Mannes im russischen Exil gingen um die Welt.
Sozialistin bis zum Schluss
Als Erich Honecker Ende Juli 1992 nach Deutschland ausgeliefert wurde und in Untersuchungshaft kam, begleitete die damals 65-Jährige ihren Mann nicht nach Berlin. Margot Honecker flog nach Santiago de Chile zu ihrer Tochter Sonja. Den Aufenthalt der Honeckers in Chile hatte das Land als humanitären Akt gebilligt.
Die Ex-Ministerin, die sich mit Spaziergängen fit hielt und täglich über Stunden im Internet unterwegs war, verteidigte bis zum Schluss ihre sozialistischen Überzeugungen ohne Wenn und Aber, Kritisches kam nicht über ihre Lippen. Sie stehe zur DDR und lege ihre Sicht nicht auf dem Altar der Zeitgeschichte nieder, auch wenn man sie als «Unbelehrbare» verleumden würde, beharrte sie.
Westpresse gemieden
Über Jahre hielt sich Margot Honecker die «Westpresse» vom Hals und schwieg eisern. Doch 2012 machte die glühende Verteidigerin des Sozialismus 2012 ihr Vermächtnis öffentlich. In einem Dokumentarfilm des NDR meinte sie zu den erschossenen DDR-Flüchtlingen, es sei dumm gewesen, über die Mauer zu klettern. Politische Häftlinge seien kriminell, die Stasi legitim gewesen. Traumatisierte Opfer, die in geschlossenen Jugendwerkhöfen litten, seien «bezahlte Banditen», ereiferte sich die Polit-Seniorin.
In einem Interview-Buch gab die Hardlinerin zuletzt zu Protokoll, die DDR habe auf Gleichheit und Gerechtigkeit gefusst. DDR-Friedens- und Umweltaktivisten habe der Westen als fünfte Kolonne in Stellung gebracht. Der sozialistische Staat sei nicht an seinen Fehlern gescheitert. Sondern: «Wir haben es nicht vermocht, dem Gegner hinreichend Widerstand entgegenzusetzen.» Sie empfahl: Die DDR-Erfahrungen sollten für kommende Kämpfe aufbewahrt werden.
Erhobene Faust
Bei den Altrevolutionären Lateinamerikas war Margot Honecker ein gern gesehener Gast. So zeigte sie sich im Frühjahr 2011 bei einer Gedenkfeier in Kuba an der Seite von Präsident Raul Castro.
Mit erhobener geballter Faust nahm Margot Honecker 2008 in Nicaragua einen Orden für ihren toten Mann entgegen. Die DDR-Führung hatte dem mittelamerikanischen Land nicht nur Schulbücher und Lehrer geschickt, sondern auch Waffen.