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Panorama «Ökonomen missbrauchen Nobelpreis für einseitige Politik»

Der Literaturpreis schwammig, der Friedenspreis illusorisch und der Wirtschaftspreis politisch verstrickt. Ökonomieprofessor Silvio Borner spart nicht mit Kritik an der Nobelpreisvergabe. Was er fordert, ist aber keine Reform der illustren Prämierung, sondern das Gegenteil davon.

SRF News: Herr Borner, die meisten der Nobelpreise 2016 sind verliehen worden. Ist Alfred Nobels Vermächtnis gewährleistet, oder würde er sich heuer im Grabe umdrehen?

Silvio Borner: Grundsätzlich erscheint es mir sinnvoll, wenn die Wissenschaft durch Auszeichnungen und vielleicht auch durch monetäre Zuschüsse Impulse erfährt. Allerdings sehe ich bei der Verteilung der Preise zu wenig hinter die Kulissen. Ich könnte mir vorstellen, dass da, analog zu den Publikationen in Top-Journals, einiges geschieht. Je nach Netzwerk wird ein Kandidat wohl eher berücksichtigt.

Also erhalten nicht die Wissenschafter die Preise, die sie verdienen?

So absolut würde ich das nicht sagen. In den Naturwissenschaften kann man Forschungsresultate ja mit Experimenten und Langzeitversuchen nachprüfen, erhärten oder falsifizieren. Und meist über Jahrzehnte gelangt dann eine ganze Forschungswelt zur Einsicht, dass eine Leistung wirklich einzigartig und für den Fortschritt prägend ist.

Schwerer ist es aber wohl, den Wert eines literarischen Werks zu ermessen. Dann wählt die Jury womöglich eine Frau aus Afrika. Einfach, weil sie unter den bisherigen Preisträgern untervertreten war. Im übrigen gibt es für Literatur sehr viel andere und fokussierte Auszeichnungen.

Die Jury wählt womöglich eine Frau aus Afrika. Einfach, weil sie unter den bisherigen Preisträgern untervertreten war.
Autor: Silvio Borner Emeritierter Professor für Wirtschaft und Politik

Wie sehr überzeugen Sie die Auszeichnungen im Bereich Frieden?

Silvio Borner

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Silvio Borner ist emeritierter Professor für Wirtschaft und Politik an der Universität Basel. Als Autor und Co-Autor hat er mehr als zwei Dutzend Bücher und über 100 Beiträge in Fachzeitschriften publiziert. Daneben schreibt er Kolumnen u.a. für die Weltwoche.

Hier spielen Kommerz und Politik erst recht eine grosse Rolle. Sehen Sie sich etwa den letztjährigen Preisträger an: das Quartet du dialogue national aus Tunesien. Oder die Preisträger von 1994, Schimon Peres, Yitzhak Rabin und Jassir Arafat. Oder gar Barack Obama kurz nach seiner Wahl. Hinter diesen Wahlen standen fraglos politische Absichten, wenn nicht gar Illusionen.

Ein Dorn im Auge ist Ihnen aber vor allem der Nobelpreis für Wirtschaft…

Das ist so – allerdings mit Blick auf dessen jüngere Geschichte. Der Wirtschaftsnobelpreis wurde nachträglich, nämlich erst 1968, eingeführt. Zu diesem Zeitpunkt gab es einen sicheren Bestand an aussergewöhnlichen Ökonomen, die sich wirklich bewährt und das Fach weiter entwickelt haben: Friedrich August von Hayek, Milton Friedman oder James Tobin. In den vergangenen Jahren ist der Preis aber je länger je beliebiger vergeben worden. Und ein Urgestein für die Marktwirtschaft wie William Baumol ist immer wieder übergangen worden.

Sie stossen sich an der engen Verflechtung von Ökonomie und Politik.

Dass Ökonomie und Politik untrennbar miteinander verbunden sind, liegt in der Natur der Sache. Aber damit steigt auch das Risiko ‹politisch korrekte› Wissenschaft zu belohnen oder sich mit rein methodischen Leistungen abzusichern. Der letztjährige Gewinner Angus Deaton, ein scharfer Kritiker der Entwicklungshilfe, war hier eine wohltuende Ausnahme, die aber von den Medien und den Politikern nicht rezipiert worden ist.

Gewisse Ökonomen missbrauchen ihren Nobelpreis, um einseitige Politik zu betreiben.
Autor: Silvio Borner Emeritierter Professor für Wirtschaft und Politik

Im Gegensatz dazu missbrauchen gewisse Ökonomen ihren Nobelpreis, um einseitige Politik zu betreiben, die mit ihrer ursprünglichen Leistung wenig bis nichts zu tun hat. Paul Krugman oder Joseph Stiglitz haben fraglos einst wichtige Beiträge zur Handelstheorie oder zum Marktgleichgewicht geleistet. Heute aber weibeln sie undifferenziert für den Neo-Keynesianismus; eine Schule, die dem Staat die entscheidende Rolle bei der Bewältigung wirtschaftlicher Krisen einräumt, als Ansatz aber heftig umstritten ist und in der Realität nicht funktioniert.

Sollte man, wie viele fordern, den Preis reformieren? Sollte man etwa neuere Disziplinen wie die Umweltwissenschaften berücksichtigen?

Im Gegenteil. Die Verantwortlichen sollten zum Kern des Preises, zu den harten Wissenschaften, zurück. Nur in diesen sind hieb- und stichfeste Messungen des langfristigen Erfolgs möglich. Die Umweltwissenschaften sind hierfür noch zu wenig ausgereift. Sie würden den Preis verwässern, wie es schon die Disziplinen Friedensförderung und Wirtschaft tun.

Das Gespräch führte Christine Spiess.

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