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Eine Person steht vor einem Container und hält eine Schachtel mit Eiern in der Hand.
Legende: Manches, das im Container landet, ist noch essbar. Reuters/Symbolbild

Panorama Oster-Menü aus der Mülltonne

Ein Drittel aller Lebensmittel, die in der Schweiz produziert werden, landet im Abfall. Darunter auch makellose Ware, die in Läden nicht verkauft werden kann. Das stört viele, aber nur wenige tun etwas dagegen – und gehen «containern»: sie suchen nach Ladenschluss im Müll nach Essen. Eine Reportage

Eine vielbefahrene Strasse im Westen Zürichs. Passanten gibt es kaum. Es ist kurz nach 21 Uhr, bis auf ein paar Sterne dunkel. Elena*, 19 Jahre alt, wartet an einem Bauzaun auf ihren Kollegen Ben*, 24. Beide haben einen grossen Rucksack dabei. Noch ist der leer.

Sie gehen ein paar Schritte, biegen in die Hofeinfahrt eines Geschäftsgebäudes ein, bleiben vor einem gut zwei Meter hohen Drahtverschlag stehen. Dahinter steht, gut geschützt, eine Reihe von Containern. Sie gehören zum nahen Aldi-Markt.

«Jede Zuwiderhandlung wird verzeigt»

Elena liest genüsslich den Text des Verbotsschildes am Zaun vor: «Das Entnehmen von Abfällen aus den Containern ist strengstens untersagt. Jede Zuwiderhandlung wird polizeilich verzeigt.»

Wie eine Einladung tönt das nicht gerade. Und doch gehen Elena und Ben zielstrebig zur Tür des Zauns. Die Tür ist nicht verschlossen.

Kein Zufall, meint Ben, die Aldi-Leute wüssten doch genau, was hier läuft. Und würden es dulden. Der junge Mann gräbt seit einigen Jahren regelmässig im Müll nach Essbarem. Nicht aus Armut, sondern weil er eine Mission hat: Lebensmittel retten, die noch essbar sind, aber weggeworfen werden.

Er findet es nicht illegal, was er macht, sagt er. Ist es aber doch: Wer wollte, könnte ihn wegen Hausfriedensbruch und Diebstahl anzeigen, weil er fremden Boden betritt und Abfall entwendet. Erwischt worden ist er aber noch nie. Elena schon zweimal. Aber die Polizisten haben sie wieder laufen lassen.

Mit Latex und Stirnlampe

Ben streift blaue Latex-Handschuhe über, setzt eine Stirnlampe auf. Dann hebt er den Deckel der ersten Tonne hoch. Sie ist bis zum Rand voll mit Zöpfen, Broten, Silserli, sauber in einem durchsichtigen Plastiksack verpackt. Es duftet dezent nach Brot.

Sie legen es beiseite, graben weiter im Nachbarcontainer. Finden kiloweise sattgelber Bananen, Artischocken, zwei Papaya, einen Blumenkohl, einen Beutel Aepfel. Einen noch nicht abgelaufenen, abgepackten Rollbraten und sogar ein Schoggi-Häsli. Ausserdem Yoghurts, bei denen das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist. Kein Problem, finden die beiden, der sei noch gut essbar. Falls nicht, würde man es riechen. Eine Packung Zucker wandert zurück in die Tonne: sie ist kaputt.

Neben der Tonne häuft sich das gerettete Obst und Gemüse

Vieles, was er findet, würde er nie kaufen, sagt der überzeugte Bio-Konsument und Veganer. Fleisch zum Beispiel. Aber bevor es verkommt, packen er und Elena es schnell in den Rucksack.

Neben der Tonne häufen sie das gerettete Obst und Gemüse an. Es ist viel. Für einen Montagabend sei das die absolute Minimal-Ausbeute, betont Ben. Nach dem Osterfest würden die Container voller.

Ben und Elena setzen die vollen Rucksäcke auf. Sie haben gerettet, was sie konnten. Für heute ist Schluss.

*(Die Namen sind von der Redaktion geändert)

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