Das hätte kaum jemand zuvor gedacht: die Königstochter in den Fängen der spanischen Justiz. Und die nimmt es mit Cristina ziemlich genau. Erst nach sieben Stunden Vernehmung verliess die jüngste Tochter von König Juan Carlos das Gericht und fuhr in einem Auto davon.
Das Verhör brachte aber wenig Licht ins Dunkel. Sie habe ihrem Ehemann vertraut, erklärt Cristina dem Gericht. Sie sei unschuldig, bestreitet alle Vorwürfe wie Steuerbetrug und Geldwäsche.
Dutzende Monarchie-Gegner hatten sich bereits am frühen Vormittag vor dem Gerichtsgebäude in Palma versammelt. Sie trugen Plakate mit Aufschriften wie «Gerechtigkeit!» und «Weg mit der Krone». Vor einem grossen Polizeiaufgebot von rund 300 Einsatzkräften und mehr als 400 Journalisten aus aller Welt forderten sie das Ende der Monarchie.
Ferien und private Anschaffungen bezahlt?
Richter José Castro wollte von der Infantin erfahren, inwieweit sie in den Finanzskandal um ihren Ehemann Iñaki Urdangarin verwickelt war. Der 46-Jährige steht im Verdacht, als Präsident einer gemeinnützigen Stiftung mehr als fünf Millionen Euro staatlicher Mittel in die eigene Tasche gewirtschaftet zu haben. Ebenfalls soll er hohe Beträge am Fiskus vorbei in Finanzparadiese geschleust haben.
Cristina und König Juan Carlos sassen beide im Vorstand dieser Stiftung. Zudem war die Infantin Teilhaberin einer Firma, mit der die veruntreuten Gelder gewaschen und ins Ausland transferiert worden sein sollen.
Die Königstochter soll Ferienreisen und private Anschaffungen mit der Kreditkarte der Firma bezahlt haben. Zudem hält Castro der 48-Jährigen einen doppelten Steuerbetrug vor: Sie soll mit den privaten Ausgaben die Firmengewinne geschmälert und somit die Körperschaftssteuern gedrückt haben. Gleichzeitig habe sie diese Gelder nicht in ihrer Einkommenssteuer deklariert.
Königshaus gibt sich «überrascht»
Nach dieser royalen Hiobsbotschaft gab sich das Königshaus offiziell «überrascht» über den richterlichen Verdacht. Cristina selbst will von den Geschäften ihres Mannes angeblich nichts mitbekommen haben.
Schwer belastet wird sie jedoch von Urdangaríns ehemaligem Geschäftspartner Diego Torres, gegen den ebenfalls ermittelt wird. Er hatte im Februar 2013 vor Gericht ausgesagt, dass Cristina eine aktive Rolle bei der Gründung und der späteren Kontrolle der Stiftung gespielt habe. Auch das Königshaus sei über alle Vorgänge informiert gewesen. Eine Reihe geheimer E-Mails, welche Torres dem Untersuchungsrichter übergab, weisen zudem darauf hin, dass auch Juan Carlos zumindest eingeweiht war.
Die zweitälteste Tochter von König Juan Carlos hatte bisher alles daran gesetzt, sich das Verhör zu ersparen. Ihre Anwälte fochten eine erste Vorladung im vorigen Jahr erfolgreich an. Aber der Ermittler Castro erklärte die Königstochter ein zweites Mal zu einer Beschuldigten und lud sie erneut vor.
Neue Taktik der Königstochter
Cristina schlug nun eine neue Strategie ein und legte keinen Einspruch ein. Es hatte sich nämlich herausgestellt, dass ihre bisherige Strategie einen entscheidenden Nachteil hatte: In der Bevölkerung entstand der Eindruck, die Infantin wolle nicht mit der Justiz kooperieren.
Cristina will unbedingt vermeiden, dass gegen sie Anklage erhoben wird. Sie dürfte ihre Verteidigung auf zwei Punkte stützen: Die Infantin wird nach Medienberichten vorbringen, dass sie sich nicht um die Geschäfte gekümmert und ihrem Mann vertraut habe. Zudem dürfte sie argumentieren, das ihr zur Last gelegte Steuervergehen liege unter der Grenze von 120'000 Euro und sei darum strafrechtlich nicht relevant.
Je mehr das Verfahren sich in die Länge zog, desto stärker nagte es am Ruf der Monarchie. Das Königshaus will nun, dass die Ermittlungen rasch abgeschlossen werden.
Das Ende der spanischen Monarchie?
Es ist das erste Mal in der Geschichte der spanischen Monarchie, dass die Justiz in einem Korruptionsskandal gegen einen direkten Nachkommen des Königs ermittelt.
Spaniens Monarchie war 1975 nach dem Tod des Diktators Francisco Franco wieder eingeführt worden. Anders als von Franco vorgesehen, ebnete der damals 37-jährige Juan Carlos den Spaniern den Weg zur Demokratie. Dafür brachten ihm die Spanier jahrzehntelang beinahe bedingungslosen Respekt entgegen.
Doch die Dankbarkeit ist langsam, aber sicher aufgebraucht. Die bekannt gewordene Elefantenjagd, mutmassliche Seitensprünge und Berichte über Geheimkonten in der Schweiz haben dazu geführt, dass sich immer mehr Spanier ein Ende der Monarchie wünschen.