Happy Birthday, Twitter. Der Mikroblogging-Dienst feiert Geburtstag – und hat in der zehnjährigen Bestehensgeschichte schon einige Highlights erlebt.
Der Tweet von Jack Dorsey (2006), mit dem die Zwitscherei ihren Anfang nahm. Die Wasserung des Airbus auf dem Hudson River (2009), bei dem Text und Bild auf Twitter schneller verfügbar waren als in den professionellen Medien. Der Tod von Bin Laden, der – gebloggt – einer offiziellen Mitteilung zuvorkam (2011). Schliesslich der Tweet schlechthin, der so viele Male geteilt worden ist wie kein anderer Eintrag auf dem Mikroblog zuvor (2014).
Die Zeichen stehen schlecht
Doch Sternstunden lassen sich nicht in Profit ummünzen. Und tatsächlich mehren sich die Zeichen, dass Twitter nur mit Ach und Krach in der Zukunft besteht.
Nicht nur schreibt das Unternehmen seit Jahren Verluste, und die Aktie ist im Sinkflug begriffen.
Laut Konrad Weber, Social-Media-Experte bei SRF, «stagnieren seit etwa einem Jahr auch die Neunanmeldungen, und viele Twitter-Profile sind inaktiv.»
Was sind die Gründe, dass sich User und Anleger vom Mikroblog-Dienst abwenden? Was machen andere Social-Media-Anbieter besser?Und wie kann Twitter das Blatt wieder wenden?
Auch klassische Medienunternehmen als Konkurrenz
Laut Katarina Stanoevska, Professorin für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere für Informationsmanagement an der Universität St. Gallen, ist Twitter «eigentlich mehr eine Informations- und Medien-Plattform als ein soziales Netzwerk». Doch der Mikroblogging-Dienst habe genau die Chancen verpasst, die Merkmale, die ihn von anderen Social-Media-Anbietern unterschiede, weiterzuentwickeln.
Zeitgleich hätten nicht nur die unmittelbare Konkurrenz immer mehr Funktionen von Twitter übernommen. Auch klassische Medienunternehmen grüben Twitter mit Liveblogs und Tickern, in denen sie Tweets einbetteten, das Wasser ab.
Dahinter vermutet Stanoevska vor allem «ein grosses Managementproblem. Viele wichtige Manager, von denen einige Visionäre waren, haben zur Konkurrenz gewechselt, Ihr Know-How haben sie mitgenommen.»
Informationen rasch unübersichtlich
Verschlafen hat Twitter laut Stanoevska auch, die Informationen, die es verbreitet, in Ordnung zu bringen. «Die Informationen, die man auf Twitter bekommt, sind schnell relativ übersichtlich. Das Unternehmen hat es versäumt, neue Algorithmen zu entwickeln, mit denen sich mehr Übersicht schaffen liesse und mit denen die Schnelligkeit, mit denen Twitter Inhalte verbreitet, noch multipliziert werden könnte.»
Weiter mangelt es Twitter an Strategien zur besseren Vernetzung. «Der Anbieter weist eine flache interessensbezogene Struktur auf. Aber es gibt wenige Möglichkeiten, Gruppen oder Communities zu bilden, mit denen auch eine stärkere Bindung zur Plattform einhergehen würde.»
Schliesslich hätte Twitter auch mehr machen müssen, um für die User eine vertrauensvolle Umgebung zu schaffen. «Die vielen falschen Accounts und Falschmeldungen können auch ein Grund sein, warum der nicht-professionelle User abgeschreckt wird.»
Dabei verfügte Twitter in Sachen Werbung über ein grosses Potenzial. Es könnte, so Stanoevska, gut Geld verdienen über diverse Werbeformate. «Diese Werbeformate haben bei Twitter nicht die Form von Ads, sondern von Contents. Das heisst, sie können anders als die Werbeinhalte von Google und Facebook nicht geblockt werden. Die Werbung auf Twitter ist im Content integriert. Das böte Unternehmen beste Möglichkeiten, um Werbung zu verbreiten. Aber Twitter macht noch zu wenig damit.»
Will Twitter das Ruder mit einer Neuausrichtung noch einmal herumreissen, müsse das Unternehmen nun schnell reagieren. Ansonsten – ja, was eigentlich? Laut Stanoevska wäre der Konkurs für Twitter noch nicht einmal das Schlimmste. «Schlimmer wäre es, wenn Twitter in die Belanglosigkeit abdriftete. Dann würde es als Denkmal bestehen bleiben für Ratslosigkeit oder ungenutzte Chancen.»