Der Overkill an Infos zur Fussball-WM kann einem schon mal gehörig auf den Geist gehen. Mexikos Torwart war früher Sandwichverkäufer, van Persies Opa macht auf dem Teppich den Flieger und in Englands Teamhotel holt eine Nackte das Handtuch vom Balkon – klarer Fall von TMI: Too Much Information.
Aber deshalb ganz auf die Jagd nach dem runden Leder verzichten? Für den Grossteil der Schweizer wäre das vermutlich keine Option, für einige Netz-Nerds hingegen schon.
Wenige Hashtags und noch weniger Tweets
Unter den Hashtags #wm2014ohnemich und #wmohnemich versuchen sie sich zu sammeln – wobei die Betonung momentan ganz klar noch auf versuchen liegt. Denn aktuell ist das Schwarmverhalten der Netzwerke in etwa so agil wie ein klappriger Heringsdampfer auf der Ostsee bei Sturm.
Sucht man bei Twitter unter dem Hashtag #wm2014ohnemich nach den Tweets der vergangenen Tage, dann offenbart sich, dass nur einige Wenige dem Aufruf folgen und offen ihre Verweigerung ausleben – von den Beiden hier mal abgesehen.
Trotz nackter Tatsachen finden sich bei #wm2014ohnemich pro Tag nur selten mehr als 20 Tweets. Gemessen am Gesamt-Gezwitscher eines Tages dürften sich derlei Zahlen noch nicht einmal im Promille-Bereich bewegen. Noch schlimmer erwischte es den Hashtag #wmohnemich . Hier werden pro Tag nicht mehr als vier Tweets publiziert.
Generell ist die Botschaft selten so klar, wie bei den Fenster-Poppern. Üblicherweise wird die Spielerfrau beschimpft, die Lieblingsserie angepriesen oder für einen Escort-Service geworben.
Waschen, Schneiden, Legen – ohne Termin
Schaut man bei Facebook vorbei, bietet sich ein ähnliches trostloses Bild. Nur zwei Leute haben Beiträge unter dem Schlagwort #WMohnemich publiziert. Dafür ist hier ein gewisser Unterhaltungsfaktor gegeben.
Man berichtet von Einkäufen bei Ikea, Schwimmen im quasi leeren Pool, Frisörbesuchen ohne Vorabtermin und Supermarkteinkäufen ohne Schlange – alles dank WM.
Online-Zeitung auf Wunsch fussballfrei
Und sonst so? Während die Online-Medien sich weitestgehend dem WM-Rausch ergeben haben, glänzen die Kollegen von watson.ch mit einer pfiffigen Idee.
Dank dem Button «WM ausblenden» kann man mit einem Klick für Ballfreiheit auf dem Bildschirm sorgen. Also eigentlich das ideale Spielfeld für WM-Abstinenzler? Scheinbar nicht. «Der Button wird fast überhaupt nicht genutzt», weiss einer der watson-Macher, Marco Honnegger.
Gib Fussball keine Chance – zumindest manchmal
Sind WM-Muffel am Ende gar nicht existent oder haben sie es nur noch nicht in die sozialen Netzwerke geschafft? Einer, der es wissen könnte, ist Sören Corpataux. Er hat sein Café «Plüsch» im Zürcher Kreis 3 kurzerhand zur «WM-freien Zone» erklärt.
«Das Ganze wird gut angenommen.» Ob man durch die Aktion jetzt aber tatsächlich mehr Zulauf habe, könne er nicht sagen. «Fakt ist: Unser Umsatz stimmt», so Corpataux. Anders als die Rohrkrepierer im Netz scheinen zumindest die Café-Besucher sich ihrer Anti-WM-Mission bewusst zu sein.
Aber mal Hand aufs Herz, kommt man denn an der WM so gänzlich vorbei? «Klares Nein», meint der Café-Chef. Seiner Leidenschaft für das runde Leder frönt er deshalb in der Langstrasse. «Dort haben wir eine zweites Geschäft – eine richtige WM-Bar. Und wenn ich ehrlich bin, dann halte ich mich momentan schon mehr da auf als im «Plüsch».
Der Initiant der «WM-freien Zone» outet sich damit als Abweichler. Ganz ehrlich, es steht nicht gut um die Weltmeisterschaftsverweigerer – egal ob im Netz oder im richtigen Leben.